Städte fordern Kita-Stopp

Der Rechtsanspruch auf Kita-Plätze ab 2013 sei nicht einzuhalten, sagt Städtebund-Geschäftsführer Landsberg. Das Geld der Kommunen reiche nicht aus. Warnung vor weiteren Steuersenkungen

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Von Hannes Koch

04. Jan. 2010 –

Jedes Kind, das älter als ein Jahr ist, hat ab 2013 Anspruch auf einen Kitaplatz. Das stehe zwar so im Gesetz, sei aber völlig unrealistisch, sagte am Montag Gerd Landsberg, der Geschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes. Er forderte die Bundesregierung auf, das Gesetz zu ändern und den Rechtsanspruch auf die Zeit nach 2013 hinauszuschieben. „Sonst verlieren die Kommunen später Tausende Prozesse“ gegen Eltern, die einen Platz für ihr Kind einklagen, so Landsberg.


Hintergrund des umstrittenen Ratschlags sind die Wirtschaftskrise und die Steuersenkungen der Bundesregierung, die die Städte finanziell empfindlich treffen. Nur mit Mühe können viele Gemeinden das Ziel einhalten, bis 2013 insgesamt 750.000 Plätze in Kindertagesstätten zu schaffen. So viele werden gebraucht, um 35 Prozent der Kinder unter drei Jahren zu versorgen. Diese Zahl galt lange Zeit als ausreichend, um den Rechtsanspruch einzulösen. Wie eine aktuelle Meinungsumfrage jedoch ergab, wünschen sich tatsächlich 66 Prozent der Eltern einen Kitaplatz. Mit Milliarden-Aufwand müssten die Städte und Gemeinden weitere 550.000 Kita-Plätze einrichten – ein illusorisches Vorhaben, wie Landsberg meint. Hanno Schäfer, der Sprecher von Familienministerin Kristina Köhler (CDU), lehnte es gestern ab, den Rechtsanspruch in Frage zu stellen. Plätze für 35 Prozent der Kinder würden ausreichen, sagte er.


Das Jahr 2009 haben die Gemeinden mit einem Defizit von rund fünf Milliarden Euro abgeschlossen. Der Grund war die Wirtschaftskrise, die zu steigenden Sozialausgaben und sinkenden Steuereinnahmen führte. Und in näherer Zukunft werde die Lage nicht besser, befürchten die Stadtdirektoren. Von 2011 bis 2013 rechnen die Stadtverwaltungen mit einem jährlichen Fehlbetrag von 13 Milliarden Euro. Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) erklärt, dass sich die Finanzsituation der Kommunen durch die Krise dramatisch verschärfe.


Angesichts dieser Lage schimpfte Landsberg: „Wir reden nur noch über Steuersenkungen“. Schon das unlängst von der schwarz-gelben Bundesregierung beschlossene Wachstumsgesetz hat der Städte- und Gemeindebund scharf kritisiert. Es beschert den Kommunen Einnahmeausfälle von rund 1,6 Milliarden Euro. Für weitere Steuersenkungen fehlt den Städtevertretern deshalb jedes Verständnis. „Sie bedrohen die Handlungsfähigkeit der Kommunen“, sagte Christian Schramm, Bürgermeister der Stadt Bautzen.


Dabei ist die Lage nicht überall gleich schlecht. Städte wie Frankfurt am Main, die vom vergangenen Aufschwung profitierten, können noch eine Weile von den anlegten Polstern zehren. Zwischen 2006 und 2008 erwirtschaften die Gemeinden einen Überschuss von insgesamt 19 Milliarden Euro. Wie Landsberg erklärte, werden diese Summen aber weitem nicht reichen, um die aktuellen und künftigen Einnahmeausfälle abzudecken.


Einerseits steigen deshalb die Schulden der Gemeinden. Andererseits sind sie gezwungen, Infrastruktur und Leistungen für die Bürger einzuschränken. Die nordrhein-westfälische Stadt Remscheid schalte bereits nachts die Straßenbeleuchtung größenteils aus, sagt Schramm. In Essen würden Grundschulen geschlossen, und in Duisburg erwärme man das Wasser der Schwimmbäder nicht mehr so stark wie früher.


Zur Abhilfe fordert der Städte- und Gemeindebund, der im Gegensatz zum Städtetag eher die mittleren und kleinen Kommunen vertritt, nicht nur den Verzicht auf Steuersenkungen, sondern auch eine grundsätzlich bessere Finanzausstattung der Gemeinden. Der Gemeindelobbyist kann sich beispielsweise vorstellen, dass die Gewerbesteuer ausgedehnt wird. Heute zahlen sie unter anderem Industrieunternehmen. „Warum nicht auch Selbstständige?“, fragt Landsberg. Zahnärzte, Architekten und andere Freiberufler sind gegenwärtig von der Steuer befreit.

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