• © Deutsche Rentenversicherung Bund

Startschuss für die Sozialwahl

Rund 52 Millionen Kranken- und Rentenversicherte wählen ihre Vertreter. Die Sozialpartner reden bei vielen wichtigen Entscheidungen mit.

Teilen!

Von Wolfgang Mulke

24. Apr. 2017 –

Ist die Teilnahme an der Sozialwahl für die Arbeitnehmer wichtig?

Den meisten Versicherten ist die Bedeutung der Sozialpartnerschaft für ihre Versorgung nicht bekannt. Dabei verfügen ihre Vertreter bei den Kranken- und Rentenversicherungen über wichtige Mitspracherechte. So haben sie zum Beispiel in der Rentenversicherung für eine gute Qualität der Rehabilitation (Reha) gesorgt. „Die Selbstverwaltung entscheidet, wie eine Klinik ausgestattet oder wer Chefarzt wird“, sagt die Präsidentin der Deutschen Rentenversicherung (DRV), Gundula Roßbach. In der Krankenversicherung haben sie sich dafür eingesetzt, dass die Zusatzbeiträge nicht pauschal, sondern abhängig vom Einkommen erhoben werden. Auch bei der Ausstattung der Krankenhäuser mit Personal oder bei der Verbesserung der Hygienebedingungen redet die Selbstverwaltung mit. Deshalb ist eine Beteiligung an der Sozialwahl im Interesse der Arbeinehmer.

Wir funktioniert diese Partnerschaft bei den Kranken- und Rentenversicherungen?

Die rund 52 Millionen Versicherten wählen einen Verwaltungsrat bei den Krankenversicherungen oder die Vertreterversammlung bei der DRV. Auch die Arbeitgeber entsenden ihre Vertreter in die Gremien, die meist von beiden Seiten gleich stark besetzt sind. Sie werden die Parlamente der Rentenversicherung oder der Krankenkassen genannt. Bei den Kassen wählen sie den Vorstand, ernennen die Mitglieder der Widerspruchsausschüsse und entwickeln Bonusprogramme, Wahltarife oder neue Versorgungsformen. Auch der Haushalt wird von der Selbstverwaltung beschlossen. Ähnlich ist es bei der DRV. Die Vertreter in der Rentenversicherung wählen zudem rund 2.800 ehrenamtliche Rentenberater, an die sich jeder Versicherte kostenlos wenden kann.

Werden die wichtigsten Entscheidungen nicht alle in der Politik getroffen?

Die harten Rahmenbedingungen bestimmen Bundestag oder Bundesregierung. Das betrifft zum Beispiel die Höhe der Beitragssätze oder die Höhe der Renten. Doch zwischen Politik und Selbstverwaltung gibt es aber an vielen Stellen Berührungspunkte. „Die Selbstverwalter weisen die Politik auf Defizite oder Regelungslücken hin“, erläutert Christian Zahn, der stellvertretende Chef des Verbands der Ersatzkassen. Sie setze sich auch für eine paritätische Finanzierung des Gesundheitssystems durch Arbeitgeber und Arbeitnehmer ein.

Wer kandidiert für die Versicherten?

Es gibt bei der Sozialwahl keine Einzelkandidaten, die auf dem Wahlzettel stehen. Die Versicherten können sich in der Regel zwischen verschiedenen Listen entscheiden. Das funktioniert so ähnlich wie bei der Zweitstimme einer Landtags- oder Bundestagswahl. Auf dieser Liste führen sozial engagierte Arbeitnehmerorganisationen, vor allem Gewerkschaften, ihre Kandidaten auf. Die meisten Versicherten haben damit eine echte Wahl. Anders sieht es bei manchen kleinen Krankenkassen aus. Mitunter verständigen sich die Beteiligten im Vorfeld auf eine einzige Liste. Das kritisiert auch die Bundeswahlbeauftragte Rita Pawelski. Unter www.sozialwahl.de finden sich die einzelnen Listen, die im Internet wiederum auch ihre Kandidaten persönlich vorstellen.

Wie läuft die Wahl ab?

Ab der kommenden Woche erhalten alle Wahlberechtigten ihren Wahlschein per Post. Bis Mitte Mai sollen alle Briefwahlunterlagen verteilt sein. Eine Ausnahme gilt für die Versicherten der Barmer GEK. Da beide Kassen erst kürzlich fusionierten, findet die Sozialwahl dort erst im Oktober statt. Es ist eine reine Briefwahl. Der ausgefüllte Wahlschein muss nicht frankiert werden, aber spätestens am 31. Mai beim Wahlleiter eingegangen sein. Auf jedem Stimmzettel stehen verschiedene Listen zur Auswahl, zum Beispiel eine von Verdi oder dem Beamtenbund. Es darf nur eine Liste angekreuzt werden.

Wie lange gibt es diese Art der Sozialwahl schon?

Seit 1953 findet die Wahl der Versichertenvertreter alle sechs Jahre statt. „Wer Beiträge einzahlt, darf auch mitbestimmen“, begründet Bundeswahlbeauftragte Pawelski die damalige Einrichtung. Es ist ein fester Bestandteil des Sozialstaats. Durch den Interessensausgleich von Arbeitnehmern und Arbeitgebern in den Gremien werden viele denkbare Konflikte schon im frühen Stadium geklärt. Die Selbstverwaltung ist unabhängig von der Politik oder von privaten Interessen. Alle Abgesandten erledigen ihre Aufgabe ehrenamtlich.

Warum hört man so selten etwas von der Selbstverwaltung?

Laut Pawelski ist dies eine Folge einer effizienten Arbeit. Es gibt keine Skandale, die öffentliches Interesse wecken und die Themen sind für ein breites Publikum oft zu speziell. „Aber nun muss die Selbstverwaltung wieder auf die Tagesordnung kommen“, sagt die Wahlleiterin. Sie hat sich ein mit einer angestrebten Wahlbeteiligung von „weit über 30 Prozent“ ein ehrgeiziges Ziel gesetzt. Bei der letzten Sozialwahl 2011 schickte nicht einmal jeder dritte Versicherte den ausgefüllten Wahlschein zurück.

Wer ruft zur Wahl auf?

Die Unterstützer der Sozialwahl kommen aus allen politischen Lagern. „Die Unabhängigkeit unserer Sozialversicherungen ist elementarer Bestandteil unseres Sozialsystems“, sagt Bundeskanzlerin Angela Merkel. SPD-Chef Martin Schulz verweist darauf, dass Demokratie vom Mitmachen lebe. Die Linke betont die Einflussmöglichkeiten der Arbeitnehmer auf die Vertretung ihrer Interessen und FDP-Chef Christian Lindner erhofft sich Reformen der Selbstverwaltung, um die Akzeptanz der Sozialwahlen weiter zu stärken.

« Zurück | Nachrichten »