Steinbrück will Gewinne der Banken kappen
Bundesfinanzminister erläuterte im Bundestag seinen Acht-Punkte-Plan zur Finanzkrise
25. Sep. 2008 –
Peer Steinbrück und Oskar Lafontaine haben mehr gemeinsam, als sie wahrhaben wollen. Nicht nur, dass der eine Bundesfinanzminister ist, während es der andere schon einmal war. Selbst im Urteil über die gegenwärtige Finanzkrise sind beide erstaunlich einig. Sowohl Linkspartei-Chef Lafontaine als auch SPD-Vize Steinbrück identifizierten den übersteigerten Neoliberalismus als Ursache der aktuellen Turbulenzen.
In einer engagierten und weitreichenden Regierungserklärung kritisierte Steinbrück am Donnerstag im Bundestag, dass die „Investmentbanken in den USA nicht ausreichend reguliert“ waren. Nur deshalb hätten sie extrem risikoreiche Geschäfte betreiben können, die die aktuelle Finanzkrise ausgelöst hätten. Nun „bricht das unzureichend regulierte System zusammen“, sagte der Finanzminister. „Es geht darum, die Finanzmärkte neu zu zivilisieren, wir brauchen neue Verkehrsregeln“. Diese Absicht wollte Steinbrück den Chefs der führenden deutschen Banken und Versicherungen bei einem persönlichen Treffen am späten Donnerstag Nachmittag mitteilen.
Im Bundestag nannte der Minister acht Maßnahmen für die bessere Regulierung des Finanzmarktes. Steinbrück forderte die Banken auf, nicht mehr nach Gewinnen von 25 oder 30 Prozent pro Jahr zu streben. Derartige Profite ließen sich nur durch „unverhältnismäßig hohe Risiken oder mit Beschädigung anderer Marktteilnehmer“ erreichen, so der Minister.
Steinbrück erwähnte einige Mittel, die dazu führen könnten, die Renditen der Institute zu verringern. So schlug er vor, „spekulative Leerverkäufe“ von Aktien und Wertpapieren generell zu verbieten. Seit der vergangenen Woche gilt in Deutschland und den USA bereits ein befristetes Verbot derartiger Geschäfte mit bestimmten Bank-Aktien.
Leerverkäufe sind Wetten auf fallende Kurse. Händler leihen sich Aktien, verkaufen diese, warten auf den Kurssturz, kaufen sie billig zurück und händigen sie danach dem ursprünglichen Besitzer wieder aus. Der Gewinn ist oft enorm - ebenso das Risiko, durch solche Geschäfte eine krisenhafte Abwärtsspirale in Gang zu setzen.
Steinbrück regte an, den zunehmend überflüssigen Internationalen Währungsfonds (IWF) zu einer internationalen Finanzaufsicht auszubauen und der Europäischen Zentralbank eine ähnliche Funktion für Europa zu übertragen.
Die Banken müssten in Zukunft mehr Eigenkapital in Reserve halten, wenn sie risikoreiche Geschäfte betrieben, sagte Steinbrück. Verkauften die Institute neuartige Wertpapiere, sollten sie verpflichtet werden, 20 Prozent davon selbst zu behalten. Außerdem plädierte der Minister dafür, dass die Banken alle Geschäfte, auch die risikoreichen Transaktionen ihrer ausländischen Tochterfirmen, in der eigenen Bilanz vermerkten. Dann würden „die Manager vorsichtiger mit ihrem Geld umgehen“, sagte Steinbrück. Zusätzlich sollten die millionenteuren, von kurzfristigen Börsenerfolgen abhängigen Gehälter der Manager und Händler reduziert werden.
Schnell werden diese Neuerungen freilich nicht kommen. Das meiste muss die Bundesregierung in komplizierten internationalen Verhandlungen durchgesetzen.
Während die Redner von FDP und Grünen blass blieben, gelang es Oskar Lafontaine, sich als wichtigster Kontrahent Steinbrücks in Szene zu setzen. Der Linkspartei-Chef warf dem Minister vor, selbst die „Sprache der Finanzmärkte zu sprechen“. Schließlich habe die Bundesregierung unter Beteiligung der SPD spekulativen Hedgefonds den Zugang zum deutschen Markt ermöglicht und noch im Koalitionsvertrag von 2005 festgelegt, dass Kreditverbriefungen, die die aktuelle Finanzkrise mitausgelöst haben, gefördert werden sollten. Mit Zustimmung allerdings hörte der Ex-Minister das Fazit des Amtsinhabers. Als langfristige Auswirkung der Krise „werden die USA ihren Status als Supermacht des Weltfinanzsystems verlieren“, so Steinbrück.