Steuer nach Leistungsfähigkeit

Kommentar zur Erbschaftsteuer von Hannes Koch

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Von Hannes Koch

17. Dez. 2014 –

Ein Produkt der neoliberalen Ära ist das Gesetz, das das Bundesverfassungsgericht am Mittwoch teilweise verwarf. Damals, seit den 1980er Jahren, verbreitete sich der Irrglaube, dass jede Steuer zu hoch sei. Auch manche Politiker von Union und SPD hingen ihm an. Dass die Kinder heute keine Erbschaftsteuer zahlen, wenn sie ein 300-Millionen-Unternehmen von Papa übernehmen, ist ein Ergebnis diesen Denkens. Nun haben die Verfassungsrichter die Regierung aufgefordert, das zu ändern.

 

Glücklicherweise gilt in Deutschland grundsätzlich noch immer das Prinzip der Besteuerung nach Leistungsfähigkeit. Wer viel verdient, zahlt einen höheren Steuersatz als ein Arbeitnehmer mit Mini-Lohn. Wohlhabendere Bürger müssen so einen größeren individuellen Beitrag zum Gemeinwesen leisten.

 

Bei der Erbschaftsteuer jedoch hat die große Koalition dieses Prinzip spätestens ab 2008 außer Kraft gesetzt. Wenn Firmenerben nachweisen können, dass sie über mehrere Jahre die Arbeitsplätze im Unternehmen erhalten, brauchen sie nur wenig oder gar keine Erbschaftsteuer zu entrichten. Dabei spielt die Leistungsfähigkeit der Firma keine Rolle. Selbst wenn diese beispielsweise 20 Millionen Euro als Jahresgewinn erwirtschaftet, verzichtet der Staat großzügig auf die Besteuerung des ererbten Reichtums. In krassem Gegensatz etwa zu Wohnungen und Sparguthaben: In diesen Fällen müssen die Erben zahlen, wenn die Freibeträge überschritten werden. Die Verfassungsrichter haben deshalb entschieden, dass hier der Grundsatz der Gleichbehandlung – man kann auch sagen der Gerechtigkeit – verletzt ist.

 

Offensichtliche Ungerechtigkeiten stellen die Legitimität der Gesetze in Frage. Auf die Dauer untergraben sie die Demokratie. Die bisherige Regelung der Erbschaftsteuer ist dazu angetan, diesen Prozess zu befördern. Falls es dazu im Fall der Erbschaftsteuer noch nicht gekommen ist, dann nur deshalb, weil die komplizierte Regelung in der öffentlichen Debatte keine große Rolle spielte. Mal sehen, ob die große Koalition aus Union und SPD nun die Weisheit besitzt, ihr altes Gesetz so zu renovieren, dass es den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts entspricht.

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