Steuergerechtigkeit bleibt auf der Strecke

Wer viel Geld hat, zahlt für die Gewinne weniger Steuern, als die Beschäftigten auf ihren Lohn. Die Koalition debattiert, diese Ungleichbehandlung zu beseitigen

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Von Hannes Koch

27. Mai. 2014 –

Ob diese Steuer der Gerechtigkeit dient, war immer höchst umstritten. Linke sahen in der niedrigen Abgabe für Kapitalgewinne eine Bevorzugung der Gutsituierten, selbsternannte Realisten wie der ehemalige Bundesfinanzminister Peer Steinbrück sagten, mit ihrer Hilfe könne man den Reichen wenigstens noch ein paar Milliarden Euro entlocken. Fünf Jahre, nachdem die erste große Koalition unter Kanzlerin Angela Merkel die Abgeltungsteuer einführte, debattiert ihr neues Regierungsbündnis aus Union und SPD jetzt über die Abschaffung.

 

Käme es dazu, würde das für Bürger, die Aktienpakete, Beteiligungen an Fonds oder hohe Sparguthaben besitzen, auf eine Steuererhöhung hinauslaufen. Denn heute brauchen sie von ihren Kapitalgewinnen nur 25 Prozent Steuer an die Finanzämter abzuführen. Zum Vergleich: Arbeitnehmer bezahlen auf die Löhne bis zu 42 Prozent Einkommensteuer - eine offenkundige Benachteiligung der Beschäftigten gegenüber den Kapitalbesitzern. „Es spricht einiges dafür, alle Einkommen gleich zu besteuern“, sagt Ökonom Thilo Schaefer vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln.

 

Warum wird das bisher nicht gemacht? Als 2007 Union und SPD den Satz der Kapitalsteuer gegenüber der Einkommensteuer absenkten, wollten sie damit etwas gegen die Steuerhinterziehung unternehmen. Denn viele Eigentümer großer Konten verschwiegen den Finanzämtern damals, wieviel sie wirklich besaßen. So wurden die Banken verpflichtete, die Steuer auf Kapitalgewinne automatisch an den Staat abzuführen. Und zweitens hoffte man, mit der niedrigen Steuer denjenigen ein gutes Angebot zu machen, die ihr Geld im Ausland versteckten. Der Staat reichte die Hand, um hinterzogenes Kapital zu legalisieren.

 

Mittlerweile allerdings hat sich die Lage geändert – deshalb gibt es die neue Berliner Steuerdebatte. „Die Begründung für die Abgeltungsteuer ist heute nicht mehr so stark wie 2007", sagt IW-Ökonom Schaefer. Ähnlich sieht es Kollege Stefan Bach vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin (DIW): „Durch den internationalen Informationsaustausch fällt die Rechtfertigung zunehmend weg .“ Was ist passiert?

 

Deutschland und andere Staaten waren in den vergangenen Jahren nicht untätig, sondern haben die Steuerflucht ins Ausland wesentlich erschwert. Jüngster Erfolg: Die Schweiz und Singapur – traditionell beliebte Steueroasen für Millionäre und Milliardäre – wollen sich demnächst dem internationalen Informationsaustausch zwischen den nationalen Steuerbehörden anschließen. Idealerweise bedeutet das: Schweizer Banken würden automatisch nach Deutschland melden, welche deutschen Staatsbürger wie viele Kapitalgewinne auf ihren Schweizer Konten verzeichnen. Auf Initiative unter anderem von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) und seinem französischen Kollegen haben sich mittlerweile fast 50 Staaten diesem Verfahren angeschlossen. Ergebnis: Wer Steuern im Ausland hinterzieht, steht unter Druck, die Schlupflöcher werden kleiner.

 

Deshalb gebe es heute keinen Grund mehr, Steuerhinterziehern im Ausland ein freundliches Angebot in Form einer niedrigen Kapitalsteuer zu machen, sagte unlängst Carsten Kühl, SPD-Finanzminister von Rheinland-Pfalz. Und Nordrhein-Westfalens Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) bezeichnete die Abgabe als „hochgradig ungerecht". Damit sie aber nicht nur als Partei der Steuererhöhung dasteht, bringt die SPD die potenzielle Mehrbelastung in Zusammenhang mit einer Entlastung an anderer Stelle. Mit dem zusätzlichen Geld könne man ja die Verringerung der sogenannten kalten Progression bezahlen, heißt es. Das ist eine heimliche Steuererhöhung, die die Beschäftigten Jahr für Jahr zusätzlich belastet.

 

Das Kalkül der SPD: Mehrbelastung der Reichen, Entlastung für die Mittelschicht. Damit präsentieren die Sozialdemokraten eine erfolglose Idee in neuem Gewand. Schon während der Koalitionsverhandlungen mit der Union wollten sie einen solchen Steuer-Kompromiss durchsetzen. Allerdings scheiterte die SPD-Spitze an der Union, die jegliche Steuererhöhung ablehnte.

 

Dieselbe Schlachtordnung ist nun wieder zu beobachten. „Für diese Legislaturperiode stellt sich die Frage der Abschaffung der Abgeltungsteuer nicht“, sagte Kanzlerin Angela Merkel kürzlich. Bundesfinanzminister Schäuble fügte hinzu, dass der internationale Informationsaustausch zwischen den Staaten wohl erst „nach 2017“ wirksam werde. Bis dahin müsse man den Niedrigsteuersatz für Kapitalgewinne beibehalten. So haben sich Union und SPD in der Steuerpolitik wieder einmal verhakt. Es geht weder vorwärts noch rückwärts.

 

Davon abgesehen ist es fraglich, ob der höhere Steuersatz für Kapitalgewinne überhaupt ausreichend Geld für den Abbau der kalten Progression einbringt. Denn um eine zu hohe Doppelbesteuerung von Aktionären – Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer auf Firmengewinne plus individuelle Einkommensteuer auf Dividenden – zu vermeiden, müsste man eine Regelung wie das so genannte Halbeinkünfteverfahren von vor 2009 einführen. Dies jedoch begrenzt die Zusatzeinnahmen. Im Vergleich zu den 8,6 Milliarden Euro, die die Abgeltungsteuer 2013 in die Staatskassen brachte, stiegen die Einnahmen künftig mit einem höheren Steuersatz vielleicht auf zehn Milliarden Euro. Diese Differenz reichte bei weitem nicht, um die Wirkung der kalten Progression für mehrere Jahre zu neutralisieren.

 

Lästig würde die Abschaffung der 25prozentigen Abgeltungsteuer für Privatleute, weil sie dann wieder eine individuelle Steuererklärung für ihre Kapitalgewinne abgeben müssten. Augenblicklich ist das nicht nötig, weil die Banken von allen Kapitalerträgen grundsätzlich einfach 25 Prozent abziehen.

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