„Stiftung Warentest für Finanzprodukte“

FDP-Finanzsprecher Volker Wissing im Interview: Die Koalition will eine unabhängige Institution gründen, um privaten Geldanlegern zu helfen. Dennoch „hat in der Marktwirtschaft jeder das Recht, pleite zu gehen“, so Wissing

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Von Hannes Koch

10. Feb. 2011 –

Hannes Koch: Um private Kapitalanleger vor schlechten Finanzprodukten und unzureichender Beratung zu schützen, will die Koalition eine Stiftung einrichten. Was soll diese neue Institution leisten?


Volker Wissing: Was an den Finanzmärkten fehlt, ist Transparenz. Bisher wissen die Verbraucher oft nicht, auf was sie sich einlassen, wenn sie bestimmte Fonds oder Zertifikate kaufen. Die Stiftung für Finanzprodukte soll deshalb so ähnlich funktionieren wie die Stiftung Warentest. Es geht darum, den Verbrauchern unabhängige Informationen über Geldanlagen zur Verfügung zu stellen. Damit wollen wir eine zusätzliche Qualitätskontrolle etablieren.


Koch: Die Stiftung Warentest prüft Handys, Waschmittel und andere Produkte und bewertet sie mit Noten. Wird die Stiftung für Finanzprodukte ähnlich arbeiten?


Wissing: Die Stiftung wird Finanzprodukte im Hinblick auf Sicherheit, Rendite, Anlagestrategie und weitere Aspekte einschätzen. Ob das in eine Art Schulnote münden muss wie bei der Stiftung Warentest, ist nicht gesagt.


Koch: Wollen Sie mit der Stiftung eine Art TÜV für neue Finanzprodukte oder eine Zertifizierung einführen?


Wissing: Schon der Begriff „Finanz-TÜV“ ist irreführend. Bei Finanzprodukten kann man über gut und schlecht nicht so leicht urteilen wie im technischen Bereich. Und offizielle Gütesiegel in Form eines Zertifikates vergibt auch die Stiftung Warentest nicht. Eine unabhängige Institution sollte den privaten Geldanlegern die Entscheidung erleichtern, aber nicht abnehmen. In der Marktwirtschaft hat jeder das Recht, pleite zu gehen.


Koch: Das Bundesfinanzministerium Wolfgang Schäubles steht der Stiftungsidee kritisch gegenüber.


Wissing: Den Fraktionen von CDU, CSU und FDP war es zunächst wichtig, die eigenen Vorstellungen zu formulieren. Ich gehe davon aus, dass wir unsere Pläne noch in diesem Jahr umsetzen.


Koch: Heute (Freitag) verabschiedet der Bundestag ein Gesetz zum besseren Schutz der Anleger. Warum haben Sie nicht genauer geregelt, welche Angaben in den Produktinformationsblättern enthalten sein müssen, die die Banken ihren Kunden künftig aushändigen?


Wissing: Wir haben festgelegt, dass die Emittenten von Wertpapieren bestimmte Kerninformationen wie Preisschwankungen und die Möglichkeit des Totalverlustes erwähnen müssen. Zu viele Details können aber auch zur Desinformation beitragen. Das Gesetz gibt einen klaren Rahmen, den die Händler ausfüllen können. Geschieht dies nicht, werden wir nachjustieren.


Koch: Gegenwärtig arbeiten Sie an einem weiteren Gesetz zur Regulierung des grauen Kapitalmarkts, auf dem bisher relativ unkontrolliert beispielsweise Beteiligungen an Windparks verkauft werden. Warum will die FDP diese Aufsicht den kommunalen Gewerbeämtern übergeben, die von Finanzgeschäften keine Ahnung haben?


Wissing: Wo genau die Aufsicht angesiedelt wird, ist noch nicht geklärt. Fest steht, dass wir auch in diesem Bereich, eine genaue Übersicht herstellen wollen, welche Akteure am Markt sind. Außerdem wollen wir Mindestanforderungen für ihre Qualifikation beschreiben.


Koch: Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) verfügt über die nötige Fachkenntnis. Warum übertragen Sie nicht ihr die Kontrolle des grauen Kapitalmarktes?


Wissing: Eine wirksame und straffe Organisation der Finanzaufsicht ist uns sehr wichtig. Wir wollen aber vermeiden, dass es zu Zugangsbeschränkungen für freie Vermittler von Finanzprodukten kommt.


Koch: Sie schützen damit eine klassische Klientel ihrer Partei.


Wissing: Nein. Die BaFin hat mit der Aufsicht über Banken und andere Akteure bereits genug zu tun. Man darf sie nicht mit zu vielen Zusatzaufgaben belasten.


Bio-Kasten

Volker Wissing

Der 40jährige FDP-Politiker Volker Wissing leitet den Finanzausschuss des Bundestages. Der Jurist kommt aus Landau in der Pfalz. Nebenbei ist er Organist und Kirchenmusiker.


Info-Kasten

Anlegerschutz

Mit den Stimmen der Regierungskoalition beschließt der Bundestag heute (Freitag) das Gesetz zur Stärkung des Anlegerschutzes. Anlageberater bei Banken und anderen Firmen müssen sich demnach künftig bei der Finanzaufsicht (BaFin) registrieren lassen. Außerdem werden die Wertpapierhändler verpflichtet, ihren Kunden ein „leicht verständliches Dokument“ mitzugeben, das über die „wesentlichen Merkmale eines Finanzinstrumentes informiert“. Der Bundesrat hatte kritisiert, die Regierung müsse genauer vorschreiben, welche Angaben in welcher Form enthalten sein sollten. Über das aktuelle Gesetz hinaus plant die Koalition weitere Regelungen zum grauen Kapitalmarkt und für eine Stiftung für Finanzprodukte.

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