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Stromkosten klettern

Die Verbraucherumlage für regenerative Kraftwerke steigt 2017 auf 6,9 Cent

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Von Hannes Koch

12. Okt. 2016 –

Stromverbraucher müssen im kommenden Jahr mit steigenden Preisen rechnen. So wächst die Umlage für Ökostrom, die einen Teil der Elektrizitätskosten ausmacht, wohl um einen halben Cent pro Kilowattstunde auf knapp 6,9 Cent. Dabei bleibt es nicht: Hinzu kommen höhere Netzkosten. Durchschnittlich würden die kompletten Stromrechnungen der Privathaushalte 2017 um drei Prozent steigen, schätzt deshalb das Vergleichsportal Verivox. Das bedeute etwa 30 Euro Mehrkosten pro Jahr – 2,50 Euro monatlich.

Die Öko-Umlage macht knapp ein Viertel der Stromrechnung von Privathaushalten aus. Dass sie von jetzt 6,35 Cent pro Kilowattstunde auf 6,88 Cent im nächsten Jahr erhöht wird, berichtete die Frankfurter Allgemeine Zeitung. Die vier Betreiberfirmen des Höchstspannungsnetzes geben den Wert am kommenden Freitag offiziell bekannt und wollten sich am Dienstag nicht äußern.

Aus der Umlage auf Basis des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) werden Wind-, Sonnen- und Biomasse-Kraftwerke bezuschusst, weil ihr Strom mehr kostet als die Elektrizität aus Kohle-, Gas- und Atomkraftwerken. Erhalten die konventionellen Anlagen für ihren Strom an der Börse so niedrige Preise wie zur Zeit, steigt die Differenz zu den Produktionskosten des Ökostroms, und damit die Umlage.  

Für einen sparsamen Drei-Personen-Privathaushalt, der 2.000 Kilowattstunden (kWh) im Jahr verbraucht, nehmen die Ökokosten 2017 um zehn Euro zu – etwa 80 Cent im Monat. Für einen Vier-Personen-Haushalt, der mit 4.000 kWh beim Durchschnittsbedarf liegt, kostet die Erhöhung 20 Euro jährlich (1,65 Euro pro Monat).

Neben der EEG-Umlage macht sich 2017 auch bemerkbar, dass die Kosten für den Ausbau der Stromnetze zunehmen, unter anderem für neue Höchstspannungsleitungen von Nord- nach Süddeutschland. Die daraus resultierenden Belastungen für die Privathaushalte und Unternehmen schwanken von Region zu Region.

Am meisten zu spüren bekommen höhere Netzkosten die Kunden im Gebiet der Leitungsfirma Tennet. Diese versorgt einen Streifen von Schleswig-Holstein über Niedersachsen und Hessen bis nach Bayern. „In Bayern müssen knapp 1,9 Millionen Haushalte allein durch steigende Netzgebühren mit einer Mehrbelastung von 75 Euro rechnen“, erklärte Verivox am Dienstag. „Gleiches gilt für knapp eine Million Verbraucher in Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg“, die im Einzugsgebiet des Unternehmens 50Hertz leben. Geringer fallen die Zusatzkosten beim Netz in den Gebieten von Amprion und TransnetBW aus, also in Nordwest- und Westdeutschland, sowie in Baden-Württemberg.  

Dem entgegengesetzt wirken allerdings die Rohstoffpreise, die die Kraftwerke für Gas und Kohle ausgeben. Diese liegen recht niedrig, was zu Entlastungen auch für Privathaushalte und Unternehmen führen kann. Wie sich die konkreten Stromkosten entwickeln, hängt aber von der Preispolitik der jeweiligen regionalen Stromversorger ab. Manche geben Preissenkungen an die Kunden weiter, viele tun es nicht. Sollte sich die Verivox-Voraussage bewahrheiten, dass die Stromkosten um durchschnittlich drei Prozent zunehmen, läge dieser Anstieg über der allgemeinen Inflationsrate. Diese wird 2017 bei 1,4 Prozent erwartet.

In den Jahren nach 2017 wird die EEG-Umlage wohl weiter steigen, möglicherweise auch stärker, als es Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel anlässlich der Reform des EEG 2014 versprach. Diese hatte zum Ziel, weitere starke Anstiege der Energiewende-Kosten zu vermeiden. Damals hieß es, die Umlage solle bis 2020 nur gut sieben Cent erreichen. Nun zeigt die Prognose des Instituts Agora Energiewende, dass der Ökoanteil 2020 bei 7,7 Cent liegen könnte. Das Düsseldorfer Institut für Wettbewerbsökonomie (Dice) sieht die EEG-Umlage 2020 über acht Cent.

Ist Gabriels Reform also gescheitert? „Eindeutig“, sagte Energieexpertin Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin. „Die Reform wird zu steigenden Strompreisen führen.“ Kemfert argumentiert, die Regierung dulde zu viele klimaschädliche Kohlekraftwerke am Netz. Dies führe zu einem Überangebot von Elekrizität, trage zu niedrigeren Börsenpreisen und damit einer höheren EEG-Umlage bei. „Zudem wurde eine Abwrackprämie für alte Kraftwerke beschlossen, was auch den Strompreis erhöht“, so Kemfert.

Oliver Krischer, Fraktionsvize der Grünen im Bundestag, kritisierte außerdem, dass Gabriel inzwischen viele Industriebetriebe „von der Umlage befreit“ habe. Die Ausnahmen für die Industrie würden die Kosten für die Mehrheit der Wirtschaftsbetriebe und die Privathaushalte erhöhen. Er plädierte dafür, einen Teil der EEG-Umlage aus dem Bundeshaushalt zu bezahlen. „Wir brauchen dringend einen Systemwechsel bei der Finanzierung der Energiewende, sonst droht uns die Stromkostenlawine zu überrollen“, erklärte auch Ingeborg Neumann, Präsidentin des Gesamtverbands der deutschen Textil- und Modeindustrie.

Das Wirtschaftsministerium wollte keine Stellungnahme abgeben. Man versucht die Kosten zu drosseln, indem ab 2017 keine politisch festgelegten Vergütungen für sauberen Strom mehr gezahlt werden. Anlagenbetreiber, die die günstigsten Preise bieten, erhalten dann den Zuschlag nach Ausschreibungen. „Die Reform ist nicht gescheitert“, erklärte deshalb der Bundesverband der Energiewirtschaft (BDEW). „Die Auktionen helfen, den weiteren Ausbau der Erneuerbaren kosteneffizienter zu gestalten und das Ausbautempo zu steuern.“

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