Süße Trendwende

Bioschokolade von Ritter Sport

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Von Hannes Koch

16. Apr. 2008 –

Jetzt merken es auch die großen Schokoladen-Hersteller in Deutschland: Ökologische und soziale Qualität sind ein Verkaufsargument. Unlängst verkündete Marktführer Ritter Sport, dass die Auslieferung seiner neuen Bioschokolade beginnt.

Im Laufe des April sollen die kleinen, quadratischen Tafeln von Ritter Sport in den Geschäften zu kaufen sein. Das ist eine Trendwende: Erstmals steigt damit einer der ganz großen Schokoladenhersteller in das Segment der moralischen Produkte ein, ohne diese verschämt zu verstecken. Die Firma aus Waldenbuch bei Stuttgart bietet ihre Bioschokolade im selben Design an, wie ihre normalen Produkte – und platziert die neue Linie damit bewusst im Mainstream.

Die Schokolade entspricht nicht nur den Kriterien der EU-Bio-Verordnung, sondern auch wesentlichen Erfordernissen des fairen Handels. Den Bauern in Nicaragua zahlt Ritter etwa 1.000 Dollar pro Tonne über dem normalen Weltmarktpreis. Mit diesem Zusatzgewinn können die Erzeuger ihre Dörfer entwickeln, Schulen und Straßen bauen. Der höhere Preis gewährleistet den Bauern eine größere Sicherheit. Die Firma stellt diese zusätzliche Qualität freilich nicht in den Vordergrund: Die neue Schokolade heißt nur „Bio“, nicht aber „Fairtrade“. Der Grund: Einige Vorgaben der Organisation Transfair, die das Fairtrade-Siegel vergibt, sind Ritter zu streng. Milchpulver beispielsweise will man bei regionalen Herstellern einkaufen, und nicht auf dem Weltmarkt zu höheren Preisen.

Auf dem Markt für Schokolade setzt sich damit eine Entwicklung fort, die in anderen Bereichen der Lebensmittelwirtschaft schon weiter fortgeschritten ist. Insgesamt stammen mittlerweile über drei Prozent der in Deutschland verkauften Nahrungsmittel aus biologischer Produktion. Bei der Schokolade sind es dagegen weniger als zwei Prozent. Und beim Kakao, der aus Afrika und Lateinamerika importiert wird, ist der Anteil aus ökologischer und fairer Herstellung noch viel geringer. Ökologische Schokolade gab es bislang nur bei kleinen Herstellern in geringen Mengen. Unter den großen Marken hat einzig Sarotti schon einen Versuch mit einem Bioprodukt unternommen.

Ein merkwürdiger Umstand. Warum haben die konventionellen Massenhersteller bisher nicht mehr auf ihre Produktionsbedingungen geachtet? Schließlich ist der Bioboom in Deutschland in vollem Gange. 5,3 Milliarden Euro wurden 2007 mit biologisch hergestellten Nahrungsmitteln in Deutschland umgesetzt. Supermarktketten wie Kaisers stellen ihre Bioregale neuerdings in den Eingangsbereich, wo die Kunden zuerst zugreifen. Und früher belächelten Nischen-Händlern wie der Gepa aus Wuppertal reißen die Verbraucher ihre Bio- und Transfair-Schokolade jetzt aus den Händen. „Bei Bioschokolade hatten wir 2007 ein Wachstum von 32 Prozent“, sagt Gepa-Sprecherin Barbara Schimmelpfennig.

Daran, dass die Probleme der Kakaoherstellung nicht bekannt sind, kann das bisherige Desinteresse der Schokoladenindustrie nicht liegen. Fachleute von Organisationen wie der Kampagne gegen Kinderarbeit aus München oder dem Südwind-Institut aus Siegburg berichten seit langem über die schlechten Bedingungen in den Erzeugerländern. Im afrikanischen Staat Elfenbeinküste, wo fast die Hälfte allen Kakaos weltweit angebaut wird, ist Kinderarbeit normal. Arme Eltern, die sich nicht anders zu helfen wissen, verkaufen ihre Kinder an Kakaobauern, bei denen sie fast ohne Bezahlung jahrelang schuften. Die in großer Menge eingesetzten Pestizide ruinieren nicht nur die Gesundheit der Pflücker, sondern vermindern auch die Qualität des Rohstoffs, den die europäischen Unternehmen zu Schokolade verarbeiten.

„Die Industrie hat die Verantwortung für diese Probleme früher weit von sich gewiesen“, kritisiert Claudia Brück, Sprecherin von Transfair in Köln. Diese Ignoranz lag wohl auch daran, dass die Kakao-Herstellung in Afrika lange Zeit kein Thema war, das in der öffentlichen Debatte eine sonderliche Rolle gespielt hätte. Beim Kaffee war das anders. Bereits vor 20 Jahren begann Kaffee, sich zum politischen Getränk zu entwickeln. Linke Entwicklungshelfer und Bürgerrechtsgruppen unterstützten beispielsweise die revolutionären Kaffee-Genossenschaften der Sandinisten in Nicaragua. Über Kakao dagegen sprachen die wenigsten.

Das ändert sich allmählich. Weil mehr Konsumenten als früher in ihre Kaufentscheidung ökologische und soziale Überlegungen einbeziehen, müssen nun auch die Schokoladenfirmen reagieren. Torsten Erbrath, Sprecher des Bundesverbandes der Deutschen Süßwarenindustrie, weist zurück, dass die Firmen die Produktionsbedingungen in den Herkunftsländern ignorieren würden. „Unsere Mitgliedsfirmen kümmern sich um Umwelt- und Sozialstandards“, sagt Erbrath.

Tatsächlich versuchen Kakaolieferanten und Schokoladenfirmen auf internationaler Ebene seit geraumer Zeit, eine Zertifizierung umzusetzen. Mit dem Zertifikat würde dann nur Kakao ausgezeichnet, der ohne Kinderarbeit hergestellt wurde und anderen sozialökologischen Kriterien entspricht. Doch soweit ist es noch nicht. Die Verhandlungen dauern an. „Das liegt nicht zuletzt an der kleinbäuerlichen Struktur der Kakaoproduktion“, sagt Süßwarensprecher Erbrath. Dieses Problem räumen auch die Kritiker ein: Im Gegensatz zu den Kaffeebauern Lateinamerikas sind die Kakaobauern Afrikas viel weniger in Genossenschaften organisiert. Das macht die Zertifizierung schwierig.

Neuerdings haben die konventionellen Hersteller mit einem weiteren Problem zu kämpfen. Selbst, wenn sie wollen, können sie Bioschokolade nicht in großer Menge herstellen. Denn die stark zunehmende Nachfrage gerade in der Schweiz, Großbritannien und Deutschland führt zur Knappheit des Rohstoffs Kakao. Auch in dieser Hinsicht ist Ritter Sport nun erst einmal besser dran: Die langfristigen Lieferverträge mit den Produzenten in Nicaragua, Ecuador und Peru sichern der Firma aus Waldenbuch den Nachschub.

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