Täuschung an der Tagesordnung

Mit Billigzutaten und schönen Bildern werden Lebensmittelkunden in die Irre geführt

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Von Wolfgang Mulke

10. Jul. 2009 –

Berlin (wom) - Der leckere Schafskäse auf dem Etikett eines vermeintlichen Feinkostherstellers erweist sich als billiges Pflanzenfett mit Kuhmilch. Auch hinter der ansehnlichen Surimi-Garnele, angeblich im Indischen Ozean gefangen, verbirgt sich nur gepresstes Fischeiweiß, das mit Geschmacksverstärkern und Aromen aufgepeppt wird. In einem Meeresfrüchtecocktail finden sich schon mal statt Tintenfischen und Garnelen Imitate aus Fischmuskeleiweiß. Die Kunden in Supermärkten, Restaurants und Imbissstuben werden durch solche täuschende Aufmachungen häufig hinters Licht geführt.

Die Liste der ekligen Beispiele ist noch viel länger und stammt von der Hamburger Verbraucherzentrale. Ein Hersteller vermengt Reststückchen von Huhn und Pute zu panierten Hähnchenschnitten, die wie Schnitzel aussehen. Das Vanilleeis eines Discounters wiederum erhält seinen Geschmack durch künstlich hergestelltes Vanillin und Kokosfett.

„Das ist alles korrekt“, versichert die Sprecherin der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie (BVE), Sabine Eichner-Lisboa. Denn die Hersteller der Billigware halten in der Regel die Gesetze ein. Das heißt, die Produkte dürfen nicht gesundheitsschädlich sein und die Zutaten müssen auf der Verpackung angegeben werden. Der Genuss ist nach Ansicht von Experten unbedenklich. Deshalb rät die BVE zum genauen Blick auf die Verpackung. Formulierungen wie „Formfleisch“ deuten auf Ramschzutaten hin. Beim Formschinken, den Pizzabäcker häufig auf den Teig legen, handelt es sich um eine Mixtur aus Gel und Fleischresten, die zu einem scheinbar appetitlichen Block gepresst werden.

Gepanscht und imitiert wird aus Kostengründen. Die nachgeahmten Lebensmittel sind viel billiger als die Originale. Bei ungewöhnlich günstigen Offerten für vermeintlich hochwertige Lebensmittel sollten die Käufer daher genau hinschauen, ob der erwartete Inhalt auch drin ist. Dies geht aus der Zutatenliste hervor, bei der die wichtigsten Bestandteile ganz oben stehen. Aufgeweckte Verbraucher erkennen rechtzeitig, dass Bahlsens Wasabi-Erdnüsse nicht mit japanischem Meerrettich, sondern mit einem Algenkonzentrat gewürzt werden.

Die Grenze zur verbotenen Täuschung der Verbraucher ist fließend. Denn per Gesetz ist auch eine Aufmachung, die irreführend ist, verboten. Deshalb hält die Industrie den geltenden Rechtsrahmen für genügend. „Die Regelungen müssen aber angewandt und kontrolliert werden“, fordert BVE-Hauptgeschäftsführer Matthias Horst. In der Politik wächst derweil angesichts der Marketinglist der Nahrungsmittelbranche der Ärger. „Es muss vermieden werden, dass Verbraucher durch optische Darstellungen in die Irre geführt werden“, sagt Baden-Württembergs Verbraucherminister Peter Hauk. Notfalls will der Minister eine europäische Initiative gegen die Täuscherei starten.


Dabei werden die Kunden im Supermarkt nicht einmal am stärksten hinters Licht geführt. In Gaststätten und Schnellrestaurants wird deutlich häufiger zu Billigzutaten gegriffen als im Handel. Vor allem Käseimitate und Formfleisch kommen häufig zum Einsatz, ohne dass die Gäste davon wissen.

Die Liste der aufgefallenen Produkte findet sich im Internet unter der Adresse www.vzhh.de.



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