Tarifeinheitsgesetz: Trickreich auf das Abstellgleis geschoben

Die wichtigsten Fragen und Antworten zur Tarifeinheit

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Von Wolfgang Mulke

28. Okt. 2014 –

Dürfen Lokführer oder andere Berufsgruppen mit eigenen Gewerkschaften künftig noch streiken?

 

Darüber gehen die Meinungen auseinander. Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) versichert, dass es keinen Eingriff in das Recht auf Arbeitskämpfe geben wird. „Wir schränken das Streikrecht nicht ein“, sagt die Politikerin. Dagegen sehen die von dem Gesetz betroffenen Kleingewerkschaften wie der Marburger Bund, der die Krankenhausärzte vertritt, sehr wohl ein Ende ihrer Kampfmöglichkeiten, weil bei konkurrierenden Gewerkschaften immer nur die größere streiken darf. Auch deshalb wollen die Berufsgewerkschaften vor das Bundesverfassungsgericht ziehen.

 

Wie laufen Tarifverhandlungen künftig ab, wenn es mehrere Gewerkschaften gibt?

 

Es gibt verschiedene Szenarien, die allesamt zunächst einmal ohne Arbeitsniederlegungen auskommen. So können sich die Gewerkschaften untereinander darüber verständigen, wer die Verhandlungen für einzelne Berufsgruppen führt. Am Ende steht dann jeweils ein für alle Mitglieder dieser Berufsgruppe geltender Tarifvertrag. Wenn es dagegen einen Konflikt gibt, wie derzeit bei der Bahn, greift das neue Gesetz. Bei der Bahn wollen zwei Gewerkschaften für ein und dieselben Berufsgruppen unterschiedliche Verträge abschließen. Die Lokführer streiken dafür, auch das restliche Bordpersonal der Züge mit zu vertreten. Künftig soll in diesem Fall nur die Gewerkschaft mit den meisten Mitgliedern in dieser Sparte verhandeln dürfen. Auch hier ist das Ergebnis dann nur ein geltender Tarifvertrag.

 

Müssen alle Gewerkschaftsmitglieder bald dem Arbeitgeber verraten, welcher Organisation sie angehören?

 

Das Verfahren der Bundesregierung sieht vor, dass die Gewerkschaften einem unabhängigen Dritten, etwa einem Notar, ihre Mitglieder melden. Der Schiedsrichter zählt nach, wer die Mehrheit hat. Können sich die Gewerkschaften auch dann nicht über einen Vertreter für alle entscheiden, müssen Gerichte der einen oder der anderen Seite das Verhandlungsrecht zusprechen. An diesem Punkt müssen noch die Details des noch nicht komplett veröffentlichten Gesetzestextes abgewartet werden, denn darin könnten sich einige Fallstricke verbergen. Offen ist zum Beispiel, wie die Offenlegung der Mitgliederliste mit dem Arbeitnehmerdatenschutz vereinbar ist.

 

Ist das Gesetz das Aus für die Spartengewerkschaften?

 

Auch dies hängt entscheidend von weiteren Details des Gesetzes ab. Es ist beispielsweise noch nicht ganz klar, wie ein Betrieb definiert ist, in dem dann die Mehrheitsgewerkschaft das Tarifzepter schwingt. Bleibt dies allein den Arbeitgebern überlassen, könnten diese die Betriebe so zuschneiden, dass die Kleingewerkschaften nirgendwo mehr eine Mehrheit hätten. So könnte beispielsweise ein Krankenhaus ein Betrieb sein. Dort gibt es immer mehr von der großen Gewerkschaft Verdi vertretene Schwestern und Pfleger als Ärzte des Marburger Bundes. Letztere wäre praktisch aus dem Rennen. Im Extremfall könnte die Lufthansa womöglich jedes einzelne Flugzeug zu einem Betrieb erklären. Dann wäre die Pilotenvereinigung Cockpit gegenüber dem Bordpersonal zahlenmäßig unterlegen. Wie die Praxis tatsächlich aussehen wird, lässt sich derzeit nicht verlässlich prognostizieren. Verdi will beispielsweise nicht am Verhandlungsmandat des Marburger Bundes rühren.

 

Gelten die Regeln schon für die aktuellen Tarifkonflikte?

 

Nein, das Gesetz wird erst Anfang Dezember vom Bundeskabinett beschlossen und dann in den Bundestag eingebracht. Bis zur Parlamentspause im nächsten Sommer soll es beschlossen werden. In Kraft tritt es somit frühestens im Herbst 2015, sofern auch der Bundespräsident das Gesetz für verfassungskonform erklärt.

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