Tausende Patienten leiden unter Arztfehlern

Vor allem bei Brustkrebs, Gelenk-OPs und Brüchen wird viel falsch gemacht / Verbraucherzentralen kritisieren Rechtslage

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Von Wolfgang Mulke

03. Jun. 2008 –

Immer mehr Patienten beschweren sich über Behandlungsfehler von Ärzten in Praxen und Kliniken. Im vergangenen Jahr verzeichnete allein die Schlichtungsstelle der Norddeutschen Ärztekammern 10.432 Eingaben, 1,5 Prozent mehr als 2006. Bei gut jedem vierten der 2007 entschiedenen rund 7.000 Verfahren gaben die Gutachter den Kranken Recht, die durch eine falsche Behandlung oder Risikoaufklärung einen zusätzlichen Gesundheitsschaden erlitten. Die ärztlichen Kunstfehler haben oft fatale Folgen. „40 Prozent aller Schäden stellen Dauerschäden dar“, sagt der Chef der Schlichtungsstelle, Walter Schaffartzik. Die Fehlerstatistik führt die Behandlung von Brustkrebs an. Es folgen die Therapien bei Handbrüchen, Rückenschmerzen und deformierten Fingern oder Zehen. Auch Arthrosebehandlungen stehen in der Rangliste weit oben.

Eine detaillierte Studie Schaffartziks zu den Fehlern in der Anästhesie zwischen 2001 und 2005 lässt das Leid der Betroffenen erahnen. 435 Schäden wurden in diesem Zeitraum angemeldet, 44 Patienten starben, 25 davon durch Behandlungsfehler. Die bekannten Zahlen zeigen aber wohl nur die Spitze des Eisbergs. Die Experten des Roland-Koch-Instituts sprechen von 40.000 Behandlungsfehlern pro Jahr in Deutschland. Der Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) glaubt an eine noch größere Zahl von Betroffenen. Der Verband vermutet im wachsenden Zeitdruck in den Krankenhäusern einen Grund für eine steigende Fehlerhäufigkeit.

Immerhin bemüht sich die Bundesärztekammer um mehr Transparenz in Praxen und Kliniken. „Wir wollen, dass unsere Daten zur Fehlerprävention genutzt werden“, erläuterte der Präsident der Ärztekammer Mecklenburg-Vorpommern, Andreas Crusius am Dienstag in Berlin. In der Vergangenheit galten die Mediziner als eingeschworener Haufen, der sich bei Fehlern gegenseitig deckt. Das ändert sich nun langsam. Im Februar hatten sich sogar 17 Ärzte zu ihren misslungenen Behandlungen öffentlich bekannt und damit erstmals das Schweigekartell gebrochen.

Die Schlichtungsstelle geht den Beschwerden der Patienten nach und sucht, wenn ein Kunstfehler festgestellt wird, nach einer außergerichtlichen Lösung des Konfliktes. „Wenn es vor Gericht geht, hat es der Patient schwer“, weiß vzbv-Gesundheitsexpertin Susanne Mauersberg. Selbst wenn der Kläger einen ärztlichen Fehler nachweisen kann, ist damit noch nichts gewonnen. Er muss zudem auch noch belegen, dass genau dieser Fehler zu seiner Krankheit geführt hat. Daran scheitern viele. Deshalb fordert Mauersberg eine Umkehr der Beweislast, wenn dem Mediziner eine falsche Therapie nachgewiesen werden kann.

Auch das Schweigen der Ärzte gegenüber ihren Patienten hat einen sachlichen Grund. Deren Versicherung hat kein Interesse an einem vorzeitigen Schuldeingeständnis. Das Verhalten verbittere die Patienten, sagt Mauersberg. Das zweite große Problem sehen die Verbraucherzentralen in den Gutachtern, die die Fälle vor Gericht bewerten. Es gebe keine unabhängigen Fachleute, kritisiert  
der vzbv. Da entstehe schon der Eindruck, eine Krähe hacke der anderen kein Auge aus.

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