Teure Schnappschüsse an der Börse
Der Foto-Kurznachrichten-Dienst Snapchat spielt an der Wallstreet 3,4 Milliarden Dollar ein. App bei Jugendlichen beliebt, weil soziale Kontrolle gering.
07. Mär. 2017 –
Obwohl die US-Firma Snap mehr Verlust als Umsatz macht, legte sie einen phänomenalen Start an der New Yorker Börse Wallstreet hin. Dank der Smartphone-Anwendung Snapchat sammelte das Unternehmen rund 3,4 Milliarden Dollar (3,2 Milliarden Euro) ein – mit dem Verkauf von nur 15 Prozent der Anteile.
Es ist eine Börsenwette auf die Zukunft, die manche Händler mit Skepsis betrachten. Snapchat muss erst noch beweisen, dass es ein tragfähiges Geschäftsmodell ausbildet. Augenblicklich ist die App bei ihrer Zielgruppe, den 16- bis 24-Jährigen, sehr beliebt. Angeblich 60 Prozent dieser Kunden nutzen Snapchat in den USA. Auch in Europa sind es Millionen.
Der Reiz besteht darin, Fotos zwischen Smartphones zu verschicken, die nach einer bis zehn Sekunden beim Empfänger wieder verschwinden. Die jungen Leute können ihre Smartphone-Schnappschüsse mit allen möglichen Bildchen, Symbolen und Krikelkrakeln veredeln, wodurch sie noch lustiger werden. Weil sie sofort im digitalen Orbit verglühen, wird Schwachsinn verschickt, den man sich sonst nicht zu posten traute. Die soziale Kontrolle ist gering. Schön auch: Likes und öffentliche Kommentare wie bei Facebook gibt es bei Snapchat nicht. Text spielt kaum eine Rolle. Die Jugendlichen stehen nicht ständig unter dem Druck, von außen bewertet zu werden.
Wie andere kostenlose Internet-Anwendungen auch muss Snapchat Geld mit Werbung verdienen. Das funktioniert in diesem Fall beispielsweise so: „Unternehmen haben großes Interesse daran, unterhaltsame und passende Werbung mit Hilfe sogenannter Geolocation-Filter zu plazieren“, erklärt Timm Lutter vom Bundesverband der Internetwirtschaft (Bitkom). „Die App auf dem Smartphone erkennt dabei den Ort, an dem sich der Besitzer aufhält, etwa eine Bar oder ein Kino. Diese stellen sofort grafische Spielereien oder Informationen zur Verfügung, mit denen der Smartphone-Kunde versendete Fotos garnieren kann. Die Werbebotschaft erreicht so seine Freunde.“
Diese Werbung existiert in den USA schon, auch hierzulande dürfte sie sich verbreiten. Gegenwärtig stellt Snapchat bereits regelmäßig neue Filter zur Verfügung, um die Fotos zu verändern. Für die Nutzer in Berlin gibt es spezielle Berlin-Filter, selbst für einzelne Schulen existieren zugeschnittene Angebote. Steht man auf dem Schulhof, kann man bestimmte Symbole nutzen, die nur dieser Schule zugeordnet sind.
Zur Zeit soll Snapchat 158 Millionen aktive Nutzer haben. In jüngster Zeit ging der Zuwachs jedoch zurück, weil Facebook ähnliche Funktionen in seine Programme Whatsapp und Instagramm einbaute. So ist die Frage auch, ob Snapchat sich gegen diese Konkurrenz behaupten kann.
Der Ausgabepreis für institutionelle Investoren lag bei 17 Dollar pro Aktie. Der Kurs am Ende des ersten Handelstag stieg jedoch um fast die Hälfte auf 24,48 Dollar. In den Tagen gab es größeres Auf und Ab.
„Mit Kursen nahe 25 Dollar ist die Aktie mehr als das 80-Fache des Umsatzes wert - eine unglaublich hohe Bewertung“, rechnete Analyst Neil Wilson vom Wertpapierhändler ETX Capital vor. Der Umsatz im normalen Geschäft betrug 2016 rund 500 Millionen Dollar. „Das spricht für eine Blase. Die Investoren tragen das gesamte Risiko“, sagte Stephen Isaacs von der Fondsgesellschaft Alvine Capital.
Für den Erfolg eine Rolle gespielt haben die ohnehin hohen Börsenkurse in den USA. Die Investoren erwarten weitere Steigerungen. Freies Anlagekapital ist zudem ausreichend vorhanden, weil die Zinsen für wichtige Staatsanleihen niedrig liegen. Für die beiden Gründer Snapchat-Gründer Evan Spiegel (26) und Bobby Murphy (28) hat sich die Sause auf jeden Fall schon gelohnt. Sie sind jetzt Milliardäre.