Typisch deutsche Vereinslösung

Cannabis wird legalisiert. Leider mit Kopfgeburten

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Von Björn Hartmann

13. Apr. 2023 –

Es wäre so einfach gewesen: Deutschland legalisiert Cannabis, hochwertige Produkte werden kontrolliert verkauft, ein neues Geschäft entsteht, der Schwarzmarkt verschwindet, Justiz und Polizei werden entlastet. Und ein Teil gesellschaftlicher Realität wird entkriminalisiert. Das sah der erste Plan der Ampelkoalition vor, den EU-Vorgaben leider in wichtigen Teilen verhinderten. Der zweite ist jetzt eine typisch deutsche Vereinslösung. Sie hat einige Haken, aber zwei große Vorteil: Sie ist machbar und lässt sich schnell umsetzen.

Vor allem erkennt die Bundesregierung an, dass die Verbotspolitik der vergangenen Jahre gescheitert ist. Die Zahl der Konsumenten ist gestiegen, die Zahl der Fälle, mit denen sich Polizei und Justiz beschäftigen musste, auch. Die Bundesregierung akzeptiert, dass Cannabis-Konsum ähnlich wie Alkohol-Konsum in Deutschland durch alle politischen Lager, Gesellschaftsschichten und Generationen weit verbreitet ist.

Die Zweitlösung hat Tücken: Da ist die Größe der Cannabis-Klubs, die den Stoff für bis zu 500 Mitglieder anbauen können. Sie wird nicht ausreichen, um den Schwarzmarkt mit seiner teils schlechten Qualität auf Dauer zu ersetzen. Dazu wäre ein kontrollierter Markt vergleichbar dem für Medizinalcannabis nötig, mit großen Anbietern und geprüften Verkaufsstellen, wie im ersten Plan der Bundesregierung vorgesehen. Dann sind da Standards für Sicherheit und Qualität, die die Anbauvereine einhalten sollen. Die Bundesländer sollen sie überprüfen. Bei der zu erwartenden Menge an Hinterhofgewächshäusern und dem Mangel an Kontrolleuren dürfte es einen gewissen Wildwuchs geben.

Ja, die Vereinslösung, eine Art Markt light, ist nicht optimal. Und auch der Plan, Modellregionen festzulegen, in denen kontrollierter Markt – wissenschaftlich begleitet – geübt wird, klingt wie eine absurde Kopfgeburt. Aber beides zeigt, dass es die Bundesregierung ernst meint und dass sie sich nicht von der EU abhalten lässt, ein gesellschaftliches Problem der vergangenen Jahrzehnte zu lösen. Die Modellregionen sind zudem ein Mittel, um später die EU-Regeln zu ändern. Das kann jedoch Jahre dauern. Und die will Deutschland zurecht nicht mehr warten.

Tatsächlich geht es bei der Ampel einmal schnell voran. Das Gesetz zu Cannabis-Klubs und Entkriminalisierung soll noch im April in den Bundestag. Beim Tempo hilft auch, dass der Bundesrat nicht zustimmen muss. Das Gesetz zu den Modellregionen ist nach der Sommerpause geplant. Polizei und Justiz werden entlastet. Und der Gesetzgeber erkennt die Realität an. Cannabis-Konsumenten genießen nicht mehr illegal. Und kommen in Zukunft idealerweise auch an geprüften Stoff.

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