Ungewöhnliche Allianz für Transparenz bei Gesetzen

Chemische Industrie und Transparency International wollen Lobbyregister einführen. Bei Gesetzen soll die Mitwirkung aller Interessenvertreter offengelegt werden. Bürger sollen so Vertrauen zurückgewinnen.

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Von Wolfgang Mulke

23. Apr. 2018 –

Eine ungewöhnliche Allianz will mehr Transparenz bei der Gesetzgebung schaffen. Dazu hat sich der Verband der Chemischen Industrie (VCI) mit der Antikorruptions-Organisation Transparency International (TI) zusammengetan. „Die Gesellschaft sieht Interessenvertretung für die Industrie zunehmend kritisch“, sagt VCI-Chef Utz Tillmann. Deshalb müsse es verlässliche Regeln für Lobbyisten geben, die für alle gleichermaßen gelten. „Wir wollen das Vertrauen in die Mechanismen unserer Demokratie fördern“, erläutert TI-Vorsitzende Edda Müller.

Konkret fordern die Verbände ein Lobbyistenregister, in das sich alle eintragen müssen, die in Berlin die Politik beeinflussen wollen. Dazu zählen neben Unternehmen und Wirtschaftsverbänden zum Beispiel auch Verbraucher- und Umweltorganisationen, Anwaltskanzleien oder PR-Gesellschaften. Im Register sollen auch die Tätigkeitsbereiche der jeweiligen Akteure aufgeführt werden. Zusätzlich müssen die Lobbyisten dann alle Finanziers angeben, die mehr als 50.000 Euro zu ihrer Arbeit beitragen. Das Register soll für alle Bürgerinnen und Bürger einsehbar sein, in dem es auf der Internetseite des Bundestages veröffentlicht wird.

Der Vorschlag geht noch deutlich weiter. Danach sollen Bundestag und Bundesregierung bei jedem neuen Gesetzentwurf offenlegen, welche Interessenvertreter dazu gehört wurden und wessen Anliegen in das Regelwerk einfließen. So ließe sich zum Beispiel schnell erkennen, wenn Mitarbeiter des Bankenverbands im Finanzministerium an der Formulierung von Gesetzen mitarbeiten. Bisher liegt über dieser Zusammenarbeit meist ein Schleier. Dabei kommen fast alle Gesetzentwürfe aus den Ministerien und nicht aus dem Parlament. Über die Einflussnahme sollen die Abgeordneten dann in der ersten Lesung des Gesetzes debattieren.

Außerdem plädieren VCI und TI für Online-Konsultationen während des Gesetzgebungsverfahrens nach dem Vorbild der EU. Auf dieser Plattform könnten dann als Interessenvertreter registrierte Befürworter wie Gegner des jeweiligen Gesetzes ihre Position darstellen. Jedermann kann dann das Für und Wider selbst nachlesen. </p

Für sauberen Lobbyismus soll ein Kodex sorgen. Er sieht vor, dass sich Lobbyisten stets durch die Angabe ihres Namens und ihrer Institution erkennbar machen müssen. Auch müssen sich ehemalige Mitglieder von Parlament und Regierung verpflichten, dass sie ihre ehemalige Stellung nicht missbrauchen und die aus ihrer öffentlichen Tätigkeit entstandenen Verschwiegenheitspflichten einhalten.

Nicht einig sind sich beide Verbände über die Kontrolle der Lobbyisten. Der VCI will diese beim Präsidenten des Bundestages ansiedeln, Transparency plädiert für eine unabhängige Kontrollinstanz nach dem Vorbild des Wehrbeauftragten. Man brauche eine sichtbare Kontrolle, sagt Müller. Verstößt ein Interessenvertreter gegen die Regeln, müsste er mit Sanktionen rechnen. So könnte beispielsweise sein Zugang zum Bundestag oder zu Ministerien gesperrt oder ein Ausschluss von Anhörungen angewiesen werden.

Nun hofft Müller auf Zustimmung in der großen Koalition, die aus den Vorschlägen ein Gesetz machen müsste. „Es gibt eine gewisse Skepsis bei CDU und CSU“, räumt die TI-Chefin ein. Die Abgeordneten hätten Sorge, dass sie jede Begegnung mit Interessenvertretern offenlegen müssten. Diese Befürchtung könne aber ausgeräumt werden. „Es geht nicht darum, wer mit wem gesprochen hat“, betont sie. Auch Tillmann ist nach ersten Gesprächen mit Politikern zuversichtlich. „Wir haben keinen Widerstand gespürt“, sagt er.

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