• Textilfabrik in Bangladesch. Foto: Hannes Koch

Unternehmen reißen die Hürde

Umfrageergebnis: Nur etwa 20 Prozent der hiesigen Firmen kümmern sich ausreichend um die sozialen und ökologischen Menschenrechte bei ihren ausländischen Zulieferern. Minister Müller und Heil wollen ein Gesetz auf den Weg bringen.

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Von Hannes Koch

14. Jul. 2020 –

Ein erstaunlich schlechtes Ergebnis hat die Umfrage der Bundesregierung zu Menschenrechten bei einheimischen Unternehmen erbracht. Nur etwa ein Fünftel der Firmen hält demnach die Anforderungen des Aktionsplans für Menschenrechte (NAP) ein. „Die Gruppe der Erfüller hat sich im Vergleich zur Unternehmensbefragung 2019 in ihrer Größenordnung nicht maßgeblich verändert“, teilten Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) und Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) am Dienstag mit. Deshalb sei es nun nötig, ein Lieferkettengesetz zu beschließen.

Der Aktionsplan basiert auf Beschlüssen der Vereinten Nationen und sieht vor, dass Unternehmen Verstöße gegen die Menschenrechte in ihren weltweiten Zulieferfabriken vermeiden müssen. Beispielsweise in den Textilfabriken Asiens sollen ausreichende Löhne gezahlt, Arbeits- und Umweltschutz gewährleistet werden. Hiesige Händler wie KiK oder Adidas sind mitverantwortlich, was bei ihren Lieferanten passiert. Um zu überprüfen, ob die Firmen den Aktionsplan einhalten, hat die Bundesregierung zwei Umfragen als Stichproben in Auftrag gegeben. Erfüllt darin weniger als die Hälfte der Unternehmen die Kriterien freiwillig, soll laut Koalitionsvertrag ein Gesetz kommen, dass die Firmen verpflichtet.

Am Dienstag nun wurde das Ergebnis der zweiten Umfragerunde veröffentlicht. „Von den rund 2.250 befragten Unternehmen haben nur 455 gültige Antworten zurückgemeldet“, erklärten Heil und Müller. Von diesen hätten etwa 20 Prozent die Anforderungen des NAP eingehalten – deutlich weniger als die von der Regierung verlangten 50 Prozent. „Die Ergebnisse sind erneut enttäuschend“, sagte Müller. „Wir brauchen jetzt einen gesetzlichen Rahmen.“ Heil: „Die Umfrage zeigt, dass Freiwilligkeit nicht ausreicht.“

Eckpunkte für ein Gesetz haben die beiden Ministerien bereits ausgearbeiten lassen. Im August wollen sie es dem Bundeskabinett vorlegen. Die Regelungen würden für gut 7.000 hiesige Unternehmen mit über jeweils über 500 Beschäftigten gelten. Diese wären verpflichtet, menschenrechtliche Risiken bei ihren Zulieferern „zu ermitteln“, „Maßnahmen zu ergreifen und zu überprüfen“. So müssen die Betriebe etwa Beschwerdemechanismen einzurichten, um den ausländischen Arbeitern zu ermöglichen, ihre Probleme mitzuteilen. Wer dagegen verstößt, kann vor bundesdeutschen Gerichten auf Schadensersatz verklagt werden. Hiesige Behörden dürfen Bußgelder verhängen und Firmen von öffentlichen Aufträgen ausschließen.

Ein solches Gesetz fordern Entwicklungs- und Umweltorganisationen, sowie die kirchlichen Hilfswerke Misereor und Brot für die Welt seit langem. Die Gewerkschaft Verdi und der Bundesverband der Verbraucherzentralen sind ebenfalls dafür. Auch mehrere Dutzend Unternehmen haben sich der Forderung angeschlossen, unter anderem Rewe, KiK, Ritter, Tchibo und Nestlé. Didier Reynders, der belgische EU-Kommissar für Justiz, kündigte Ende April 2020 ein europäisches Lieferkettengesetz für das kommende Jahr an.

Dagegen mobilisieren hierzulande die Wirtschaftsverbände BDI, BDA, HDE und DIHK. Ihnen geht es zu weit, dass deutsche Firmen für das Fehlverhalten ausländischer Lieferanten haftbar gemacht werden sollen. Hohe Kosten drohten, der Mittelstand sei überfordert.

Auch aus dem Haus von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) ist Widerstand gegen das Gesetz zu erwarten. „Schnellschüsse verbieten sich bei so wichtigen Themen wie diesem“, sagte eine Sprecherin. Im BMWi wird unter anderem bemängelt, man sei in die Vorbereitungen zum Gesetz nicht eingebunden. Außerdem sei es wegen der Corona-Pandemie nicht ratsam, den Unternehmen neue, komplizierte Vorschriften zu machen.

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