Urlaub vom Sofa aus

Kommen bis 2030 virtuelle Reisen?

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Von Björn Hartmann

06. Jul. 2022 –

Warum in die Ferne schweifen? Die Zukunft des Reisens könnte auf dem heimischen Sofa liegen, von wo aus sich im Ballon über die spektakuläre Kegellandschaft Kappadokiens in der Türkei fahren, der Eiffelturm besteigen oder der Blick vom 600 Meter hohen Preikestolen über den norwegischen Lysefjord genießen lässt. Das sogenannte Metaversum und 3D-Brillen machen es möglich – und 21 Prozent der Deutschen glauben, dass wir 2030 virtuell verreisen, wie eine Umfrage des Digitalverbands Bitkom ergab.

Schwere Zeiten kommen auf spektakuläre Urlaubsziele allerdings wohl nicht zu: 87 Prozent der Befragten sagen, dass die klassische Reise wichtig ist, um vom Arbeitsalltag abzuschalten. Kein Wunder: Ist das Metaversum doch nur eine digitale Kopie. Und da kann das eigene Abbild, ein sogenannter Avatar, sich zwar im virtuell nachgebauten Urlaubsort, etwa Mallorca, an den Strand stellen, das richtige Badegefühl kommt aber wohl eher nicht auf. Auch richtig Party zu feiern, wird schwierig.

In anderer Hinsicht wird die Digitalisierung für den Urlaub immer wichtiger: 58 Prozent informieren sich auf Reise- und Vergleichsportalen, 45 Prozent direkt bei Hotels und Reiseveranstaltern – mehr als bei der letzten Umfrage 2020. „Die digitalen Medien haben deutlich an Bedeutung gewonnen“, sagte Bitkom-Geschäftsführer Bernhard Rohleder. Damals hatte der Verband bereits nach Urlaub und Digitalisierung gefragt. Immer wichtiger wird auch Social Media: Vier von fünf Befragten lassen sich dort von Bildern und Berichten aus dem Freundeskreis und der Familie anregen.

Insgesamt informierten sich 70 Prozent der Deutschen online, 34 Prozent gingen ins Reisebüro. Wie die Zahlen zeigen, nutzen einige auch beide Möglichkeiten. Vor zwei Jahren besuchten noch 41 Prozent ein Reisebüro, 68 Prozent suchten online nach Informationen. Dabei lesen zwei Drittel der Reisenden die Onlinebewertungen anderer – mit Vorsicht, denn sie könnten gefälscht sein. Verdächtig aus Sicht der Befragten: zu viele negative (82 Prozent) oder zu viele sehr positive Bewertungen (61 Prozent).

Das Geschäft mit dem Urlaub verlagert sich also immer mehr in Netz. Das zeigt sich auch daran, wo das Geld landet. 53 Prozent der Bundesbürger buchen online, 45 Prozent gehen dafür ins Reisebüro. Die Umfrage offenbart ein Altersproblem der klassischen Anbieter: Sechs von zehn Deutschen unter 65 buchen online und deutlich seltener im Reisebüro. Dort sind vor allem diejenigen, die über 65 sind (sechs von zehn).

Gebucht werden im Netz vor allem Unterkünfte, Flüge, Zugfahrscheine, Mietwagen, Eintrittskarten – und Pauschalreisen. Selbst ein knapp ein Viertel derjenigen, die überhaupt auf Kreuzfahrten gehen, planen und bezahlen über das Netz. Die Hälfte kann sich das vorstellen. Online zu buchen, hat der Umfrage zufolge vor allem praktische Vorteile: keine Öffnungszeiten (86 Prozent), bessere Vergleichbarkeit (84 Prozent), größeres Angebot (60 Prozent), Zeitersparnis (58 Prozent).

In acht Jahren, ist sich eine deutliche Mehrheit sicher (65 Prozent), würden klassische Reisebüros ausgestorben sein. Bitkom-Geschäftsführer Rohleder sieht nicht ganz so schwarz. Denn Urlaub online zu buchen hat zwei entscheidende Nachteile: 58 Prozent der Befragten fehlt der persönliche Kontakt, 47 Prozent wollen sich nicht um alles selbst kümmern. Rohleder empfiehlt ein Modell, das persönliche Ansprache und online verbindet. Er kann sich auch vorstellen, dass ein Reisebüro einen Berater zu den Kunden nach Hause schickt. Und: „Die Reisebüros müssen gezielt junge Menschen ansprechen.“

Das Digitale beeinflusst auch die Planung im Urlaub selbst. Drei von fünf Befragten haben bereits ein Ausflugsziel nur gewählt, um dort ein besonderes Foto zu machen und es dann in sozialen Netzwerken wie Facebook, Instagram, Twitter oder Tiktok zu teilen. Bitkom-Geschäftsführer Rohleder nannte die Zahlen bemerkenswert. Der Fotowahn treibe seltsame Blüten. So bringt die Aussicht auf spektakuläre Bilder die Deutschen auch dazu, Absperrungen und Verbotsschilder zu ignorieren. Immerhin 17 Prozent bekannten sich dazu.

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