Urteil von Patienten für Patienten
Große Krankenkassen rufen ihre Mitglieder zur Ärztebewertung im Internet auf / Hausärzte besser als Fachärzte / Die Bewertung hat Haken
24. Feb. 2012 –
Mitglieder der großen Krankenkassen AOK, Barmer GEK und Techniker Krankenkasse (TK) können im Internet ab sofort auch die Leistung ihres Zahnarztes bewerten. Damit bauen die Kassen die so genannte Weiße Liste aus, ein Portal für die Beurteilung von Ärzten. Bislang beantworteten rund 150.000 Patienten den Online-Fragebogen und gaben ihren Eindruck von 40.000 Ärzten wieder.
„Insgesamt schneiden die Hausärzte besser ab als die Fachärzte“, sagt AOK-Vorstand Jürgen Graalmann. Es zeigt sich, dass die Allgemeinärzte mehr mit ihren Patienten reden und sie auch stärker in ihre Entscheidungen einbeziehen. 94 Prozent sind mit dem Zeitkontingent ihres Hausarztes zufrieden. Bei Fachärzten sind es nur 82 Prozent. Unter dem Strich benoten die Kranken ihre Behandlung überwiegend positiv. „83 Prozent der Patienten würden ihrem Arzt bestimmt oder wahrscheinlich weiterempfehlen“, berichtet Graalmann.
Noch können Interessenten auf den Internetseiten der drei beteiligten Kassen nur 3.500 Bewertungen einsehen. Denn erst wenn zehn Fragebögen für eine Praxis ausgefüllt wurden, geben die Initiatoren grünes Licht für eine Veröffentlichung. Dieses Verfahren soll die Seriosität der Umfrage sicher stellen. Beschimpfen oder mehrfach bewerten können die Teilnehmer die Praxis auch nicht. Jeder muss sich mit seiner Mitgliedsnummer registrieren lassen, bevor er sein Urteil abgeben darf. Die Antworten werden nur per Kreuzchen gegeben. Die Zahl der veröffentlichten Bewertungen soll rasch steigen, weil laut AOK auch die Ärzte selbst ihre Patienten immer häufiger zur Abgabe eines Votums auffordern. Am Ende soll eine flächendeckende Liste der 130.000 freien Ärzte stehen. Die Gesprächsführung im Behandlungszimmer, die Aufklärung durch verständliche Formulierungen von Diagnosen und Therapien sowie das Einfühlungsvermögen des Doktors sind den Kranken am wichtigsten. Dagegen spielt der Service der Praxis eine geringere Rolle.
Der Allgemeinmediziner Jürgen David aus Berlin fordert seine Patienten schon länger auf, die Arbeit seiner Gemeinschaftspraxis zu bewerten. „Die Fragen sind gut“, bestätigt der Mediziner. 50 seiner Klienten haben bereits ihr Urteil abgegeben. Doch David hat dabei auch Grenzen der Beurteilung erfahren. Manche Patienten sähen in einem öffentlichen Urteil einen Vertrauensbruch. Andere verweigern positive Angaben aus Angst, das das Wartezimmer noch voller wird, wenn sich gute Leistungen herumsprechen. Problematisch wird die Bewertung nach seiner Beobachtung auch in Gegenden mit Ärztemangel. Da sich volle Wartezimmer und lange Wartezeiten auf einen Termin oft nicht vermeiden lassen, fallen die Praxen im Test trotz sonst guter Arbeit schnell durch, ohne dass sie die Ursachen des Ärgers beseitigen können.
Nun nimmt die Weiße Liste, die auch von den Verbraucherzentralen und der Bertelsmann-Stiftung getragen wird, auch die Zahnärzte unter die Lupe. 40 Fragen umfasst der elektronische Bogen, auf dem die Versicherten ihre Einschätzung abgeben können. Dazu gehört zum Beispiel, ob das Dentistenpersonal beruhigend auf ängstliche Patienten eingeht, der Zahnarzt frühzeitig und korrekt über Zuzahlungen informiert oder ob es bei Schmerzen schnell einen Termin gibt. Der Umgang mit Kindern auf dem Behandlungsstuhl wird ebenfalls abgefragt.
Nachdem die TK als dritte große Kasse der Initiative beigetreten ist, können rechnerisch 37 Millionen Mitglieder an der Bewertung teilnehmen. Mit weiteren Krankenkassen ist die Weiße Liste im Gespräch. Anschließen können sich alle Kassen.