USA als Beispiel
Kommentar zur US-Zinserhöhung von Hannes Koch
17. Dez. 2015 –
Die erste Zinserhöhung durch die US-Notenbank seit fast zehn Jahren zeigt, dass die USA ökonomisch auf dem Weg der Besserung sind. Die langwierigen Auswirkungen der Finanzkrise seit 2007 scheinen dort einigermaßen überwunden. Fed-Chefin Janet Yellen glaubt deshalb, dass sie den US-Firmen und Arbeitnehmern bald wieder normal hohe Zinssätze zumuten kann. Ihre Politik des billigen Geldes war erfolgreich. Mit Blick auf Europa mutet es deshalb umso merkwürdiger an, dass die Europäische Zentralbank (EZB) ähnliche Maßnahmen ergreift wie die Fed, dafür aber heftig kritisiert wird.
Die US-Notenbank Fed hat vor Jahren die Geldschleusen geöffnet. Sie kaufte den Geschäftsbanken in großem Umfang Wertpapiere ab, damit diese das Kapital an die Unternehmen und Bürger weiterreichen. Und sie senkte die Zinsen nahe Null, ohne dass es zu einer Inflation auf breiter Basis gekommen wäre. Am Ergebnis gemessen hat all das offenbar funktioniert. Die amerikanische Wirtschaft wächst in diesem Jahr mit schätzungsweise 2,4 Prozent, fast ein Prozent schneller als der Euroraum. Die Arbeitslosigkeit dort liegt bei fünf Prozent, hier bei mehr als dem doppelten Wert.
Weil die Geld- und Finanzpolitik der US-Notenbank gut begründet ist, hat die europäische Zentralbank einen ähnlichen Weg eingeschlagen. Auch sie kauft den Banken unter anderem Staatsanleihen ab, um deren Möglichkeit zu erhöhen, mehr Kredite auszureichen. Auch sie hat die Zinsen nahe Null gesenkt. Trotz des guten Beispiels jenseits des Atlantiks muss sich die EZB jedoch mit Klagen vor dem Bundesverfassungsgericht auseinandersetzen.
Es stimmt, die politischen Verfasstheiten der USA und Europas unterscheiden sich. Dort übt die bundesstaatliche Regierung in Washington in der Geld- und Finanzpolitik die unbestritene Zentralgewalt aus. Hier dagegen kooperieren 28 souveräne Staaten in einem Staatenbund. Peu à peu übertragen sie Kompetenzen an die gemeinsame Regierung in Brüssel, die jedoch längst nicht die Machtfülle der US-Administration erreicht hat. Daher rührt in Europa das Verbot der gegenseitigen Staatenfinanzierung. Daher kommt die verbreitete Kritik an einer gesamteuropäischen EZB-Geldpolitik. Die Logik nationalstaatlichen Denkens liegt im Konflikt mit dem europäischem Förderalismus.
Trotzdem wäre es hilfreich, wenn sich die Diskussion über die europäische Geld- und Finanzpolitik mehr an pragmatischen Gesichtspunkten orientieren würde. Im Sinne der Unternehmen und Bürger wäre es sinnvoll, wenn sich die EZB nicht ständiger juristischer Klagen erwehren müsste, die ihren Handlungspielraum einengen. Die prinzipiellen Überlegungen der Kritiker stehen der wirtschaftlichen Gesundung Europas im Wege.