Verbraucherschützer: Hersteller mogeln Lebensmittel gesund

Die Verbraucherzentralen kritisieren den Nährwertkompass der Indusitrie/ Die Unternehmen hingegen, betrachten die Kennzeichnung als nützliche Orientierung für die Konsumenten

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13. Apr. 2009 –

Ein Blick auf den Nährwertkompass auf der Kornflakes-Packung und schon ist der Kunde informiert: In einer Portion stecken 112 Kalorien, 2,5 Gramm Zucker und 0,3 Gramm Fett. Das klingt wenig - und so landen die Knusperflocken erst im Einkaufskorb und später als vermeintlich leichte Kost in der  Frühstücksschale. Die Lebensmittelhersteller loben ihren Nährwertkompass als Einkaufshilfe. Die Verbraucherzentralen bezeichnen die Grafik mit den fünf aneinander gereihten ovalen Kästchen, hingegen als Augenwischerei.   

„Die Unternehmen rechnen sich das schön,“ kritisiert Christiane Manthey von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg das Instrument, „jeder Lebensmittelhersteller kann sich seine Portionsgrößen selbst zurechtlegen.“ Tatsächlich dürfen  die Konzerne selbst entscheiden, wie groß, oder eben klein, eine Portion bei den Verbrauchern auf den Teller oder in die Gläser kommt. „Kaum jemand isst nur eine Praline, zwei Stückchen Schokolade, eine Hand voll Kartoffelchips oder drei dünne Scheiben Salami, die als Portion vorgesehen sind“, bemängelt Manthey die Minimengen, „das ist einfach unrealistisch.“

Bei Coca Cola, einem der neun deutschen Unternehmen, die sich für die einheitliche Kennzeichnung stark machen, sieht man das anders: “Die Portionsangaben sind alltagstaugliche vorstellbare Maßeinheiten, mit denen der Verbraucher den Kaloriengehalt direkt im Verzehrmoment abschätzen kann“,erklärt
Tanja Schüle, Leiterin Public Affairs.

Die winzigen Portionen sind nicht der einzige Kritikpunkt der Verbraucherzentralen. Bei ihren Berechnungen zum Energie- und Nährstoffbedarf stützen sich die Unternehmen auf die Richtwerte für eine erwachsene Frau, die vom Verband der europäischen Ernährungsindustrien (CIAA) errechnet wurden. Bei einem Energieverbrauch von durchschnittlich 2.000 Kilokalorien dürften Frauen dementsprechend 90 Gramm Zucker (einschließlich Fruchtzucker), 70 Gramm Fett und 2,4 Gramm Salz am Tag zu sich nehmen.

Den Verbraucherschützern sind diese Mengen zu hoch. Maximal 50 Gramm zugesetzter Zucker, 60 Gramm Fett und 1,4 Gramm Salz dürften es bei einer täglichen Energiezufuhr von 2.000 Kilokalorien sein. Das sind die Richtwerte der Deutschen Gesellschaft für Ernährung.
 
Auch die willkürliche Festlegung auf den Bedarf einer erwachsenen Frau stößt bei den Verbraucherzentralen auf Ablehnung. „Das ist eigentlich unzulässig“, meint Expertin Manthey und verweist gleichzeitig auf die unterschiedlichen Bedürfnisse vor allem von alten Menschen und Kindern.

Ebenso schlagen die Zentralen bei Lebensmitteln für Kinder Alarm. Ob Fruchtquark oder Kaubonbon, auch auf den bunt verpackten Produkten für die Knirpse prangen die Nährwertangaben, die für die erwachsene Durchschnittsfrau gelten. Nur selten werden die Werte auch Kindern gerecht. Warum das so ist, kann sich Manthey nicht so recht erklären, schließlich gäbe es ja Richtlinien für die Kleinen.

„Der Kompass kann mit seinem Richtwert eine Orientierung geben“, verteidigt Coca-Cola-Sprecherin Schüle den Bezugswert von 2.000 Kalorien, „denn die meisten Verbraucher haben eine unrealistische Vorstellung über den durchschnittlichen Kalorienbedarf eines Menschen“.

Übrigens müsste man die anfangs erwähnten Kornflakes trocken, oder mit Wasser verzehren, um auf den angegebenen Energiegehalt von 112 Kalorien pro Portion zu kommen. Denn die Milch, die den Cerealien üblicherweise beigemengt wird, findet in den Nährwertangaben keine Erwähnung.     




 











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