• Anwalt Heinz Frommelt

„Verletzung der Sorgfaltspflicht“

Der Vaduzer Rechtsanwalt und frühere Liechtensteiner Justizminister Heinz Frommelt erklärt, warum deutsche Steuerhinterzieher Schadenersatz verlangen könnten

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Von Hannes Koch

21. Jul. 2008 –

Koch: 770 reiche Bundesbürger sollen mit Hilfe von Banken in Liechtenstein Steuern hinterzogen haben. Deutsche Staatsanwälte ermitteln. Einige Steuersünder planen nun offenbar, die Liechtensteiner Fürstenbank LTG auf Schadenersatz zu verklagen. Vertreten Sie diese Personen als Anwalt?

Heinz Frommelt: Nein, deutsche Rechsanwälte haben mich im Auftrag ihrer Mandanten gebeten, eine Einschätzung abzugeben. Es handelt sich um Voranfragen.

Koch: Welche Argumente führen die potenziellen Kläger ins Feld?

Frommelt: Die Argumentationslinie der Kollegen sieht so aus: Wenn die LTG-Bank ihre Kunden darüber informiert hätte, dass ihr 2002 Kundendaten gestohlen worden waren, hätten die Anleger die deutsche Steueramnestie des Jahres 2004 in Anspruch nehmen können. Dabei hätten sie weniger Geld bezahlt als jetzt im Zuge der Verfahren wegen Steuerhinterziehung. Die Differenz soll die Bank begleichen.

Koch: Der deutsche Springreiter und verurteilte Steuervermeider Paul Schockemöhle ist mit einer ähnlichen Argumentation 2005 nicht durchgekommen – das oberste Liechtensteiner Gerichtshof wies seine Klage ab. Warum wird jetzt ein neuer Versuch gestartet?

Frommelt: Weil es eine neue Sachlage gibt. Im Jahr 2004 hat die deutsche Bundesregierung eine Amnestie für Steuerflucht erlassen. Auf die konnte Schockemöhle sich nicht berufen. Sein Fall hatte sich vorher zugetragen.

Koch: Das Amnestie-Argument macht den Eindruck einer Hilfskonstruktion. Beschweren sich die potenziellen Kläger nicht eigentlich darüber, dass die LTG-Bank sie nicht ausreichend bei der Steuerhinterziehung unterstützt hat?

Frommelt: Sie fragen polemisch. Ich will mich lieber an die juristischen Argumente halten. Die deutschen Kunden werfen der Bank vor, sie habe ihrer Sorgfaltspflicht nicht Genüge getan.

Koch: Halten Sie es für legitim, wenn ein verurteilter Täter seine finanzielle Strafe per Schadensersatz refinanziert?

Frommelt: Da verweise ich auf das Urteil des Gerichtshofs von 2005. Das Gericht hat festgestellt, dass Schockemöhle kein ersatzfähiger Schaden entstanden sei. Es sei, salopp gesprochen, grundsätzlich nicht möglich, sich die legale Steuerschuld gegenüber dem einen Staat in Form von Schadenersatz zurückzuholen.

Koch: Wie beurteilen Sie die Erfolgsaussichten des aktuellen Klageversuchs?

Frommelt: Sie kennen die alte Weisheit: Vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand.

Koch: Was raten Sie den potenziellen Klägern?

Frommelt: Eine eingehende Prüfung. Das Risiko der Klageabweisung bleibt aber in jedem Fall.

Koch: Hat die Affäre der Steuerhinterziehungen dazu geführt, dass Liechtenstein jetzt mehr Informationen über Konten an ausländische Behörden übermittelt?

Frommelt: Liechtenstein ist mittlerweile dem Schengener Abkommen beigetreten, das grenzüberschreitende Rechtshilfe bei Steuerbetrug vorsieht. Auch das jetzt ausverhandelte EU-Betrugsabkommen geht in die gleiche Richtung.

Interview: Hannes Koch


Info-Kasten

Als die Bochumer Staatsanwaltschaft Mitte Februar 2008 das Privathaus des damaligen Post-Vorstands Klaus Zumwinkel durchsuchte, war dies der Beginn einer beispiellosen Ermittlungswelle gegen mutmaßliche Steuerhinterzieher. Ausgelöst wurde sie, weil der Bundesnachrichtendienst gestohlene Kundendaten der Liechtensteiner LTG-Bank aufgekauft hatte. Mehrere Hundert gutbetuchter Bundesbürger stehen im Verdacht, Millionen Euro an den hiesigen Finanzämtern vorbei auf Liechtensteiner Bankkonten bugsiert zu haben. Bisher haben die Verfahren und die Ermittlungsarbeit dem Staat rund 110 Millionen Euro hinterzogener Steuern eingebracht. In einem ersten Urteil verhängte das Landgericht Bochum unlängst eine zweijährige Bewährungsstrafe und eine Strafzahlung von 7,5 Millionen Euro gegen einen Immobilienkaufmann aus Bad Homburg. Außerdem musste er knapp acht Millionen Euro Steuern nachzahlen.

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