„Vermeiden Sie überstürzte Reaktionen“

Trotz der dramatischen Prognosen zur Wirtschaftslage warnt Roland Aulitzky von Finanztest Privatanleger vor dem Panikverkauf ihrer Aktien und Fonds. Neues Jahrbuch von Finanztest mit Ratschlägen erscheint heute

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Von Hannes Koch

05. Dez. 2008 –

Hannes Koch: Die Wirtschaftsaussichten verschlechtern sich rapide. Damit könnten auch die Aktienkurse stark sinken. Was raten Sie den privaten Geldanlegern?

 

Roland Aulitzky: So komisch es klingen mag: Vermeiden Sie überstürzte Reaktionen. Man sollte sich nicht von seinen langfristigen Konzepten abbringen lassen.

 

Koch: Was aber soll ich tun, wenn ich befürchte, dass mein in Aktien angelegtes Kapital in einigen Jahren für die Ausbildung meiner Kinder nicht mehr zur Verfügung steht?

 

Aulitzky: Geld, mit dem man eine Wohnung kaufen oder die Ausbildung der Kinder finanzieren will, sollte man nie in Aktien und Fonds anlegen. Dafür gibt es verlässliche Anlagen, beispielsweise Bundesanleihen oder andere sichere Zinsanlagen.

 

Koch: Falls ich diesen Fehler doch gemacht habe – veräußere ich meine Fonds und Aktien jetzt ganz schnell?

 

Aulitzky: Nein. Wenn Sie ihr Kapital nicht sofort brauchen, warten Sie besser ab. In ein oder zwei Jahren können die Aktienkurse ganz anders aussehen. Dann ärgern Sie sich möglicherweise, dass Sie heute mit Verlust verkauft haben. Und noch ein Tipp: Langfristige Fondssparpläne sollte man jetzt keinesfalls auflösen.

 

Koch: Und wenn es noch ein paar Jahre bergab geht?

 

Aulitzky: Man weiß niemals, wie tief die Kurse sinken. Das ist reine Rätselraterei.

 

Koch: Wäre es denn im Gegenteil ratsam, nun zu investieren?

 

Aulitzky: Mit etwas Geld, das man vorläufig nicht braucht, könnte man durchaus ein paar Aktien oder Fondsanteile kaufen. Die Preise sind günstig.

 

Koch: Welche Anlageformen halten Sie für sicher?

 

Aulitzky: Festverzinsliche Anlagen bei Banken, die Mitglieder der Einlagensicherung sind. Für empfehlenswert halten wir auch erstklassige Staatspapiere und die Tagesanleihe der Bundesfinanzagentur, wobei in diesen Fällen die Zinsen sehr niedrig liegen.

 

Koch: Einerseits sinken die Leitzinsen. Andererseits werben die Banken mit hohen Zinsen für Termingeld. Fünf Prozent sind keine Seltenheit. Wie erklären Sie diesen Widerspruch?

 

Aulitzky: Die Banken versuchen mit allen Mitteln, Geld von Privatleuten einzusammeln. Sie brauchen dringend Kapital, weil der Kreditmarkt zwischen den Instituten nicht mehr richtig funktioniert.

 

Koch: Haben die Banken aus der Finanzkrise gelernt und bieten ihren Kunden weniger risikoreiche Anlageformen?

 

Aulitzky: Insgesamt kann man eine gewisse Vorsicht feststellen. Die Neigung, absurde Zertifikate anzubieten, ist zurückgegangen.

 

Koch: Wird diese Zurückhaltung von Dauer sein?

 

Aulitzky: Da bin ich skeptisch. Diese Risiko-Produkte sind ja nicht vom Markt verschwunden. Sie werden nur zur Zeit nicht offensiv verkauft.

 

Koch: Wie ließe sich die Beratung der Privatanleger durch die Banken verbessern?

 

Aulitzky: Die Politik sollte sich entschließen, die Beweislast umzukehren. Dann müssten nicht mehr die Kunden der Bank Fehler nachweisen, sondern die Institute wären gezwungen, die Qualität ihrer Beratung zu belegen.

 

Roland Aulitzky (49) arbeitet als Redakteur bei der Zeitschrift Finanztest der öffentlich geförderten Stiftung Warentest in Berlin

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