Vermögende profitieren von Staatsschulden

Neue Kredite von 86 Milliarden Euro beschließt heute das Bundeskabinett. Wer profitiert davon – und wer muss die Schulden bezahlen?

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Von Hannes Koch

23. Jun. 2009 –

Die höchste Neuverschuldung seit Bestehen der Bundesrepublik beschließt heute (Mittwoch) die Regierung. Alleine im kommenden Jahr sollen Kredite von 86 Milliarden Euro aufgenommen werden. Kanzlerin Angela Merkel und Finanzminister Peer Steinbrück argumentieren, dies liege im Interesse der Allgemeinheit. Wer aber profitiert besonders von der Verschuldung, und wer zahlt drauf?


Die gegenwärtige Generation

Nimmt der Staat Schulden auf, profitiert die gegenwärtige Generation. Geld, das eigentlich nicht vorhanden ist, wird heute ausgegeben, aber erst in Zukunft zurückgezahlt. Die künftigen Generationen finanzieren zumindest teilweise den Konsum der heute lebenden Bundesbürger.


Ein Beispiel: Die Anti-Krisen-Programme der Regierung verhindern, dass die Arbeitslosigkeit schnell ansteigt. Deshalb konsumieren die Bürger zur Zeit noch, als sei nichts gewesen. Und die meisten Ökonomen nehmen an, dass auch die Sparquote – der Teil des verfügbaren Geldes, den man auf die hohe Kante legt – vorerst nicht dramatisch steigt.


Unsere Kinder und Kindeskinder

Sie müssen unsere heutigen Schulden abbezahlen. Aber ist das ungerecht? Nein, sagt Ökonom Dieter Vesper. Schließlich würden wir unsere Kinder nicht rücksichtslos schröpfen, sondern ihnen auch zusätzliche Werte hinterlassen. Dieses Argument trifft teilweise zu, weil die Regierung im Rahmen ihrer Konjunkturprogramme in den Ausbau der erneuerbaren Energien, die ökologische Sanierung von Gebäuden und die Modernisierung der Dateninfrastruktur investiert. Wer in 50 Jahren lebt, profitiert beispielsweise von den dann niedrigeren Energiekosten seiner Wohnung.


Der Sachverständigenrat für Wirtschaft, das Beratergremium der Regierung, vertritt jedoch die entgegengesetzte Meinung – wie die Mehrheit der Ökonomen. Weil nur ein Teil der heutigen Schulden für Zukunftsinvestitionen verwendet, der andere Teil aber schlicht konsumiert werde, zahlten die zukünftigen Generationen drauf.


Kapitalbesitzer

Diese Gruppe der Bevölkerung profitiert von der Staatsverschuldung. Wer Vermögen besitzt, kann in Bundesanleihen und andere Staatspapiere investieren. Als Gegenleistung zahlt Bundesfinanzminister Steinbrück Zinsen an die Käufer der Staatspapiere. Heute sind diese sehr niedrig. Künftig aber werden sie steigen – wegen der großen öffentlichen Nachfrage nach privatem Kapital.


Lohnempfänger

Wer heute arbeitet, hat gute Chancen, zu den Profiteuren der Verschuldung zu gehören – schließlich setzt die Bundesregierung viel Geld ein, um Jobs zu retten. Für die Beschäftigten der Zukunft könnte dies anders aussehen. Wenn die Zinsen und damit möglicherweise auch die Inflation anziehen, würde dies die Kaufkraft des Lohnes schmälern. Dieser Effekt trifft im übrigen auch die Rentner, deren Alterssicherung an die Löhne der aktiven Beschäftigten gekoppelt ist.


Branchen der Wirtschaft

Während manche Unternehmen wie Arcandor und Opel an den Rand des Bankrotts geraten, gehören ganze Branchen der Wirtschaft zu den Profiteuren der Staatsverschuldung – allen voran die Banken. Ohne Milliarden-Kredite und Bürgschaften vom Staat würde es viele Finanzinstitute nicht mehr geben. Aber auch die Branche der Erneuerbaren Energien, die Bauwirtschaft und die Autoindustrie unterstützt die Regierung massiv und gezielt.


Die Steuerzahler

Wer arbeitet und Steuern zahlt, muss damit rechnen, dass die direkte und indirekte Überweisung an das Finanzamt in den kommenden Jahren steigt. Die SPD will die Steuer für Wohlhabende anheben. Ökonomen wie Klaus Zimmermann (Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung) und Wolfgang Wiegard (Sachverständigenrat) plädieren dafür, die Mehrwertsteuer erneut zu erhöhen. Eine ähnliche Tendenz könnte sich auch bei den Sozialbeiträgen bemerkbar machen – obwohl sich die Bundesregierung darauf festgelegt hat, dass diese nicht über 40 Prozent des Bruttolohnes steigen sollen.

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