Viel geschafft, viel zu tun

Die verbraucherpolitische Bilanz der Koalition fällt gemischt aus

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Von Wolfgang Mulke

10. Sep. 2009 –

In den vergangenen vier Jahren beherrschten Verbraucherthemen die Schlagzeilen so häufig wie nie zuvor. Gammelfleischfunde, geklaute Daten, zornige Stromkunden, dicke Kinder, nervende Telefonwerbung, untergeschobene Verträge oder Mogelkäse und vieles mehr brachten die Gemüter in Wallung und der großen Koalition viel Arbeit. Die Bundesregierung hat als Folge der Skandale und Missstände eine ganze Reihe von Gesetzen und Aktionsplänen auf den Weg gebracht.

 

Die Bilanz der Verbraucherpolitik fällt allerdings gemischt aus. Eines der großen Themen war der Gammelfleischskandal. Der frühere Verbraucherminister Horst Seehofer reagierte prompt mit einem Zehn-Punkte-Programm, das unter anderem bessere Kontrollen und härtere Strafen für kriminelle Fleischhändler vorsah. Die Vorgaben wurden auch weitgehend umgesetzt, obwohl die wichtige Kontrolle Sache der Länder ist. Auf jeden Fall nutzte der heutige bayrische Ministerpräsident die spektakulären Fälle zur Profilierung als Verbraucheranwalt.

 

Doch viel weiter kam Seehofer nicht. Der CSU-Politiker hatte mit Verbraucherthemen wenig am Hut und befasste sich lieber mit den Querelen seiner Partei, deren Chef er am Ende auch wurde. Seine Amtsbilanz fiel bescheiden aus, wie das Beispiel des Verbraucherinformationsgesetzes zeigt (VIG). Nach jahrelangem Streit trat das Gesetz im Mai letzten Jahres in Kraft. Ursprünglich sollte es den Bürgern Einblicke in die Erkenntnisse der Behörden ermöglichen, in dem die Ämter beispielsweise die Namen und Firmen nennen müssen, die gegen Lebensmittelgesetze verstoßen. Doch am Ende verabschiedete die große Koalition eine wirkungslose Regelung. Wer etwas wissen will, muss hohe Gebühren entrichten und erhält dafür oft nicht die gewünschten Informationen, weil Unternehmen die Herausgabe leicht unter Berufung auf Geschäftsgeheimnisse verweigern können. Mehr Transparenz hat Seehofer damit verhindert.

 

Ansonsten wich der Minister Entscheidungen gerne aus. Statt sich eindeutig für oder gegen eine Ampelkennzeichnung für Lebensmittel einzusetzen, verwies der Bayer auf eine noch immer ausstehende europäische Regelung. Die Debatte um die grüne Gentechnik wollte Seehofer zunächst aussitzen. Doch nachdem sich praktisch ganz Bayern zur gentechnikfreien Zone erklärt hat, und die Skepsis in der Bevölkerung insgesamt hoch blieb, vollzog der Politiker eine Kehrtwende. Die von ihm vor knapp einem Jahr ins Amt beförderte Nachfolgerin Ilse Aigner verbot schließlich den Anbau von Genmais.

 

Ansonsten führt die CSU-Politikerin das Ministerium nach den gewohnten Prinzipien weiter. Möglichst viel Verbraucherschutz soll freiwillig praktiziert, möglichst wenig gesetzlich geregelt werden. Aigner blieb bisher blass. Sie setzt sich für eine bessere Beratung der Sparer ein und verbesserte in den letzten Wochen die Informationsangebote für Internetnutzer. Ein großer Wurf war nicht darunter.

 

Zur Verbraucherpolitikerin hat sich die SPD-Justizministerin Brigitte Zypries gemausert. Ein wesentlicher Teil der Konsumentengesetze kommt aus ihrem Haus. Die Entschädigung für Bahnkunden gehört dazu ebenso wie das Verbot von unerwünschter Telefonwerbung. Zypries hat der Verkauf von Hypothekendarlehen an Finanzhaie unterbunden, den Anlegerschutz und Versicherungsbedingungen verbessert. Allerdings ist nicht alles Gold, was glänzt. So gibt es weiterhin Schlupflöcher für Telefonwerber, weil die Ministerin Rücksicht auf die Callcenter nahm, auch bei den Entschädigungsregelungen der Bahnen ging sie nur halbherzig zur Sache.

 

Viele Aufgaben blieben auch unerledigt. Dazu gehört die Ampelkennzeichnung von Lebensmitteln, die von einer Bevölkerungsmehrheit gewünscht, von Aigner aber in Brüssel nicht vorangetrieben wird. Auch eine langfristige Linie bei der grünen Gentechnik ist noch nicht erkennbar, ebenso wenig der Aufbau einer begleitenden Verbraucherforschung. Schließlich blieb die Novelle des Datenschutzgesetzes deutlich hinter den Forderungen von Verbraucherverbänden zurück. Die nächste Bundesregierung kann also noch vieles verbessern.

 

Auf jeden Fall hat die Verbraucherpolitik in Berlin an Gewicht gewonnen. Trotzdem beackern die Parteien das Feld sehr unterschiedlich, wie aus einer Umfrage der Verbraucherzentralen hervorgeht. Keine Rolle spielen die Konsumentenrechte bei der Linkspartei und der FDP.  Zehn Prozent der Befragten trauen der SPD am ehesten den Schutz von Verbraucherinteressen zu, 14 Prozent attestieren dies der Union. Einsame Spitzenreiter sind die Grünen. Mehr als jeder vierte Bürger sieht die Partei als besten Sachwalter der Verbraucherbelange.

 

Der womöglich größte Erfolg der Verbraucherpolitik blieb kürzlich weithin unbeachtet. Der Bundestag hat seine Geschäftsordnung verändert. Künftig muss bei allen Gesetzesvorhaben deren Wirkung auf die Verbraucher benannt werden.

 

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