Vom Kanzleramtschef zum Strippenzieher

Warum die Bahn einen Politiker anheuert

Teilen!

Von Wolfgang Mulke

17. Jun. 2014 –

In wenigen Unternehmen spielen politische Kontakte eine so wichtige Rolle wie bei der Bahn. Mit Roland Pofalla holt sich der Konzern trotz Geschmäckle einen geeigneten Kandidaten an Bord.

Am heutigen Mittwoch will Bahnchef Rüdiger Grube dem Aufsichtsrat des Konzerns einen ebenso wichtigen wie umstrittenen Personalvorschlag präsentieren. Der frühere Kanzleramtsminister Roland Pofalla soll Anfang 2015 Generalbevollmächtigter der Bahn werden und zunächst die Beziehungen zwischen Unternehmen und Politik pflegen. Noch sitzt der CDU Politiker als Abgeordneter im Bundestag.

 

Grube Plan ist schon lange bekannt und auf viel Kritik gestoßen. Für manchen, wie den grünen Fraktionsvorsitzende Anton Hofreiter, kommt der Wechsel von der Schaltstelle der Macht in die Wirtschaft der Korruption nahe, weil Pofalla im Kanzleramt auch mit für die Bahn relevanten Entscheidungen zu tun hatte. Jetzt könnte er den Lohn für einen früheren Einsatz im Sinne des Unternehmens erhalten. So lautet diese Gedankenkette. Doch mit dem Wechsel 2015 liegt mehr als ein Jahr zwischen dem Abgang aus der Regierung und einem Neuanfang in der Wirtschaft. Eine längere Karenzzeit könnte die Kritik zerstreuen.

 

Aus Sicht der Bahn ist ein erfahrener Politiker an der Schnittstelle beider Welten unverzichtbar. Das Unternehmen ist in vielerlei Hinsicht von politischen Entscheidungen abhängig. Da ist das Schienennetz, für das der Bund als Eigentümer zuständig ist und jährlich Milliarden für die Instandhaltung oder den Neubau von Strecken bereit stellt. Da sind die Ministerpräsidenten der Länder und die Bürgermeister der Kommunen, die möglichst viele attraktive Verbindungen in ihrem Gebiet sehen wollen und mit den Wünschen bei der Bahn vorstellig werden. Bis in die Spitze der Regierung geht es bei Fragen der Regulierung, der Dividende oder einer möglichen Teilprivatisierung. Der künftige Aufgabenbereich Pofallas füllt allein schon mit diesen Themen einen Terminkalender gut an.

 

Darüber hinaus mischt auch die EU kräftig bei den Rahmenbedingungen für den Eisenbahnverkehr mit. Erst jüngst gelang es den Lobbyisten der Bahn mit Hilfe des Kanzleramts, ein wichtiges Vorhaben der Kommission abzuwehren. Brüssel hätte gerne eine Trennung von Netz und Betrieb der Bahn erreicht. Das will die Deutsche Bahn unbedingt verhindern.

 

Die längerfristige Pläne Grubes sehen einen erheblichen Machtzuwachs Pofallas vor. Der Politiker soll 2017 in den Vorstand aufrücken und dort den Platz des scheidenden Rechtsexperten Gerd Becht übernehmen. Die Verbindung zu den Konzernbevollmächtigten in den Bundesländern will Grube auch an Pofalla abgeben. Der neue Job bündelt also nach und nach wesentliche Strippen der Bahn in Pofallas Händen. Obwohl der Noch-Abgeordnete nach seinem Wechsel viel Geld verdienen wird, spart die Bahn mit dieser Konstruktion wohl Personalkosten ein. Denn ein Vorstand geht dafür, ein Europa-Bevollmächtigter wird ebenfalls überflüssig. Und der bisher gut bezahlte Verbindungsmann zur Politik wird auch nicht ersetzt.

 

« Zurück | Nachrichten »