Von wegen weniger Zucker

Das Beispiel Nutella zeigt, dass die Zuckerstrategie der Bundesregierung nicht aufgeht. Ohne Vorgaben der Politik wird sich nach Einschätzung von Verbraucherschützern nichts ändern. Fachleute fordern höhere Steuern auf Süßes.

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Von Wolfgang Mulke

14. Nov. 2017 –

Wenn der Lebensmittelkonzern Ferrero über Zucker informiert, klingt es sehr appetitlich. Auf dessen Markenwebseite für den Schokoaufstrich Nutella ist von zertifizierten Rohrzucker als Grundstoff die Rede, der nachhaltig erzeugt wird. Die Größe der Kristalle stimmt und selbstverständlich ist der Süßstoff frei von Gentechnik. Nur den Zuckeranteil an der Creme behält das Unternehmen für sich. Und der ist neuerdings noch etwas höher als üblich und liegt bei 56,3 Prozent, statt bei 55,9 Prozent.

„Feinjustierung“ nennt Ferrero die erste Veränderung der Zutaten nach Jahren, die der Verbraucherzentrale Hamburg aufgefallen ist. Der Fettanteil an Nutella wurde leicht verringert und es ist mehr Magermilchpulver und weniger Kakao im Glas. Der Aufstrich ist etwas heller geworden. Mit Informationen über die Gründe der neuen Rezeptur schweigt Ferrero. „Magermilchpulver ist in der Regel deutlich billiger als Kakaopulver“, stellt die Verbraucherzentrale fest und vermutet den Wunsch, Kosten zu sparen, hinter der heimlich vorgenommenen „Feinjustierung“.

Das Beispiel ist ein Beleg für den mäßigen Erfolg von Ärzten und Verbraucherschützern, die für eine Verringerung ungesunder Zutaten bei industriell gefertigten Lebensmitteln eintreten. Dabei hat Landwirtschaftsminister Christian Schmidt vor Monaten schon eine Reduktionsstrategie erarbeitet. Die Hersteller sollten darin freiwillig weniger Salz, Zucker oder Fett verwenden. Denn die Aufklärung der Konsumenten hat vielfach kein Umdenken bewirkt. Einzelne Unternehmen und Handelsketten haben sich diesbezüglich durchaus bemerkenswerte Ziele gesetzt. Der Discounter Lidl will den Gehalt an ungesunden Stoffen in seinen Handelsmarken bis Mitte des nächsten Jahrzehnts um 20 Prozent senken. „Reformulierung“ nennt die Fachwelt solche Veränderungen in der Rezeptur.

Schmidt ist mit seinem Vorhaben bisher gescheitert. Seine Strategie hat es nicht ins Kabinett geschafft. Widerstand kam zum Beispiel aus der Lebensmittelindustrie, die sich gegen eine pauschale Diskriminierung von Salz, Zucker oder Fetten wendet. „Es gibt einen Entwurf, der nie veröffentlicht wurde“, stellt die Ernährungsexpertin des Bundesverbands der Verbraucherzentralen (vzbv), Sophie Herr, dem Minister schlechte Noten aus. Auch in den aktuell laufenden Sondierungsgesprächen sei von der Reduktionsstrategie nicht mehr die Rede. „In der Politik ruht das Thema derzeit“, bestätigt auch die Sprecher des Bundes für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde (BLL), der Verband der Hersteller.

Dabei gibt es gute Gründe für einen geringeren Zuckerkonsum. Es gibt zu viele dicke Kinder. Übergewicht birgt wiederum das Risiko späterer Folgeerkrankungen wie Diabetes. „Wir sind nach wie vor dafür, dass der Zuckerkonsum in Deutschland reduziert wird“, sagt der Sprecher des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte, Hermann Josef Kahl.

Die Uni Hamburg schlägt nun Steuererhöhungen für besonders zuckerhaltige Produkte und Softdrinks vor. Gesundes wie Obst und Gemüse soll von der siebenprozentigen Mehrwertsteuer befreit werden. Nudeln, Milch oder Fleisch sollen mit 19 Prozent Mehrwertsteuer belegt werden, Potenziell besonders schädliche Produkte sollen danach mit einem Aufschlag von 23 Prozent besteuert werden. So würde der Anteil übergewichtiger Menschen nicht mehr weiter steigen und könnte sogar um zehn Prozent sinken, glaubt der Münchner Ernährungsmediziner Hans Hauner.

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