Wachstum und Klimaschutz

Was bringt die Energiewende überhaupt? Fragen und Antworten, bevor die Regierung am Dienstag den Gesetzentwurf beschließt

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Von Hannes Koch

06. Apr. 2014 –

Die Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetz will das Bundeskabinett am kommenden Dienstag beschließen. Damit tun Kanzlerin Angela Merkel, Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel und die große Koalition einen ersten großen Schritt, um das leidige Ökostrom-Problem zu lösen und die Energiepolitik wieder in ruhigere Bahnen zu lenken.

 

Wozu dient das Erneuerbare-Energien-Gesetz überhaupt?

Es soll helfen, eine umweltfreundliche Stromversorgung vor allem mit Sonnen- und Windkraftwerken aufzubauen. Die Betreiber solcher Anlagen erhalten feste Beträge für den produzierten Ökostrom. Für manche Windräder beträgt der Satz beispielsweise knapp zehn Cent pro Kilowattstunde (kWh). Die Vergütung bezahlen die meisten Firmen und die Privathaushalte mittels einer Umlage, die augenblicklich 6,2 Cent pro kWh kostet.

 

Hat das Gesetz etwas gebracht?

Es ist sehr erfolgreich. Durchschnittlich fast ein Viertel allen Stroms in Deutschland stammt mittlerweile aus erneuerbaren Energien. Zu manchen Tageszeiten bestreiten Wind- und Solarkraftwerke den größten Teil der Elektrizitätsversorgung. Manche Ökokraftwerke produzieren die Energie inzwischen so günstig wie Kohle- oder Gasturbinen – und viel billiger als Atomkraftwerke. Deutschland beweist damit, dass es grundsätzlich möglich ist, Wirtschaft und Wohlstand weiter wachsen zu lassen, und gleichzeitig die klimaschädlichen Emissionen zu senken.

 

Wo liegt das Problem?

Das Gesetz hat in den vergangenen Jahren erheblich dazu beigetragen, dass die Stromkosten für die Privathaushalte stiegen. Die wachsende Anzahl der Ökokraftwerke führte zu einer höheren Umlage, die nun etwa ein Fünftel der Elektrizitätsrechnung ausmacht.

 

Was will die Regierung dagegen tun?

Bundesregierung und Bundesländer haben am vergangenen Dienstagabend verabredet, die Zahl der neuen Ökokraftwerke zu begrenzen, die jährlich neu gebaut werden. Der Anteil der erneuerbaren Energien an der gesamten Stromversorgung soll 2035 maximal 60 Prozent betragen – wobei mehr durchaus möglich wäre. Um diesen Pfad einzuhalten, bekommen Windkraftwerke und Biogasanlagen künftig weniger Förderung, als ihnen heute noch zusteht.

 

Was bedeutet die Reform für Haushalte und Betriebe?

Bis 2020 soll die Ökoumlage auf etwa sieben Cent pro verbrauchter Kilowattstunde steigen, sagte Rainer Baake, Staatssekretär in Gabriels Wirtschaftsministerium, am Mittwoch. Der Zuwachs betrüge damit nur noch etwa 0,13 Cent jährlich. Zum Vergleich: In den vergangenen drei Jahren stieg die Umlage um fast drei Cent. Sinken werden Umlage und Strompreis vorläufig wohl aber nicht. Dieser Effekt tritt vielleicht dann ein, wenn die alten, teuren Ökokraftwerke nach 2020 allmählich aus der Förderung herausfallen.

 

Sind alle mit dem Kompromiss verstanden?

Keineswegs. Umweltschützer, Grüne und auch Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung kritisieren, dass rund 2.000 Industrieunternehmen weiterhin weitgehend von der Ökoumlage befreit bleiben. Diese Ausnahmen im Wert von etwa fünf Milliarden Euro pro Jahr verteuern den Stromrechnung der Privathaushalte und der Mehrheit der Firmen. Wie weit die EU-Kommission die Bundesregierung bewegen kann, diese Ausnahmen einzuschränken, ist noch nicht klar.

 

Was wollte Baden-Württemberg durchsetzen?

Ähnlich wie Bayern, Rheinland-Pfalz und Hessen möchte auch die Stuttgarter Landesregierung mehr Ökokraftwerke im eigenen Land bauen lassen, als Gabriel ursprünglich zubilligen wollte. Bayern forderte bessere Bedingungen für Biogasanlagen, die viele Bauern betreiben. Die Südländer haben einige ihrer Forderungen durchgesetzt.

 

Welche Fragen bleiben offen?

Trotz tausender neuer Ökokraftwerke steigt der Ausstoß klimaschädlichen Kohlendioxids neuerdings wieder an. Das liegt an den Kohlekraftwerken, die wegen der niedrigen Preise der Emissionszertifikate viel Strom herstellen. Eine Lösung gibt es hier bisher nicht. Ungeklärt ist auch, ob und wie später konventionelle Reservekraftwerke öffentlich gefördert werden, wenn sie am Markt nicht genug Geld verdienen. Drittens fehlt ein Konsens über den geplanten Bau dreier Stromtrassen, die die Energie von den Windparks auf See nach Süddeutschland transportieren sollen.

 

War das die letzte Reform des EEG?

Garantiert nicht. Wirtschaftsstaatssekretär Rainer Baake hat für etwa 2016 schon die nächste Novelle angekündigt. Dann muss die Koalition regeln, dass neue Ökokraftwerke nicht mehr feste Fördersummen erhalten, sondern ihre Finanzierung per Ausschreibung festgelegt wird. Das ist ein Teil des Kompromisses mit der EU-Kommission.

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