• Zu früh für Panik? | Foto: Pixabay

Was der Brexit für den Datenschutz bedeutet

Treten die Briten aus der EU aus, hat das auch Folgen für Regelungen zum Datenschutz. Unternehmen droht Rechtsunsicherheit über Monate hinweg.

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21. Jul. 2016 –

Täglich liefern Firmen aus der EU Waren im Wert von Millionen nach Großbritannien – und umgekehrt. Informationen über die Lieferung, die Kunden, weitere Aufträge wandern selbstverständlich digital zwischen Festland und Vereinigtem Königreich hin und her. Was erlaubt ist und was nicht regelt die EU-Datenschutzverordnung. Damit haben sich die Länder verpflichtet, Informationen beispielsweise nicht zu missbrauchen und an unbefugte Dritte weiterzuleiten.

Nach dem Brexit müssen auch diese Vereinbarungen neu geregelt werden. Der Austrittsantrag liegt in Brüssel zwar noch nicht vor, doch im Moment deutet wenig darauf hin, dass die Engländer ihre Meinung ändern werden. Die Briten verzichten auf die EU-Ratspräsidentschaft, in der neuen Regierung sitzen die Befürworter eines EU-Austritts auf wichtigen Positionen. Der Brexit dürfte auch das Topthema beim Antrittsbesuch der neuen britischen Premierministerin Theresa May bei Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) an diesem Mittwoch in Berlin sein.

 

„Mit dem Austritt wird Großbritannien wie ein Drittstaat behandelt“, sagt Andreas Meyer-Schwickerath, Direktor der British Chamber of Commerce in Germany (BCCG). Das bedeutet für die Firmen in erster Linie jede Menge Papierkram. Um keine Strafgelder zu riskieren, müssen Verträge und Abkommen zwischen den Geschäftsleuten im Vereinigten Königreich und dem Lieferanten aus dem Ausland vereinbart werden. „Ist der Aufwand zu groß, besteht die Gefahr, dass Geschäftsbeziehungen eingeschränkt werden“, sagt Meyer-Schwickerath.

 

Für den Datenschutz heißt das: Liefert ein Unternehmen Waren nach Großbritannien und es müssen Daten der Kunden gespeichert werden, muss es Sicherheitsvorkehrungen für diese Speicherung geben. Nur so kann ein Missbrauch ausgeschlossen werden. Die EU-Staaten, die Daten in das Vereinigte Königreich übermitteln, müssen dann dafür sorgen, dass die europäischen Datenschutzregelungen auch eingehalten oder denen gerecht werden.

 

„Viel hängt davon ab, ob die EU sich mit Großbritannien auf einen gemeinsamen Wirtschaftsraum einigt“, sagt Susanne Dehmel, Geschäftsleiterin Datenschutz und Sicherheit beim Branchenverband Bitkom. Die Unternehmen können sich in der derzeitigen Lage kaum für den Ernstfall wappnen, schließlich ist eine genaue Prognose, was passieren wird, nicht möglich. „Der Datenschutz wird in jedem Fall eine der Fragen sein, die geregelt werden müssen.“ Langwierige Verhandlungen wie beim „privacy shield“ - dem Datenschutzabkommen zwischen der EU und den USA - wollen die meisten Unternehmen nicht. „Der Datentransfer zwischen Großbritannien und den EU-Staaten sollte in jedem Fall unproblematisch bleiben.“

 

Sollte das Datenschutzniveau nicht als angemessen anerkannt werden, gelten neue Spielregeln. „Daten können immer noch nach Großbritannien transferiert werden, aber nur mit Standardvertragsklauseln oder mit der Einwilligung der Betroffenen“, sagt Dehmel.

Ein angemessenes Datenschutzniveau bedeutet vor allem, dass die Vorgaben aus der EU-Grundrechtecharta oder der EU-Menschenrechtskonvention eingehalten werden. Das beinhaltet zum Beispiel strenge Vorgaben bei der Weitergabe von Informationen an Dritte.

 

Großbritannien ist Deutschlands drittgrößter Handelspartner. Mehr als 600.000 Menschen haben einen Job in den deutsch-britischen Geschäftsbeziehungen gefunden. Etwa 2.500 deutsche Firmen sind im Vereinigten Königreich ansässig. Warenverkehr, Zulassungen für Arzneimittel, Steuerabkommen, Arbeitsbedingungen – all dieses Aspekte waren bisher von der Europäischen Union geregelt und galten auch für Großbritannien.

 

Besonders betroffen sind Online-Versandhändler und viele Dienstleister, sowie produzierende Unternehmen, beiderseits in der EU und Großbritannien. Um Problemen auszuweichen, denken einige Unternehmen bereits darüber nach in Großbritannien eigene Filialen zu eröffnen. Allerdings sind damit auch immense Kosten verbunden, wenn ein neuer Standort eröffnet wird.

 

Konkret will sich dazu keiner äußern. Stattdessen versichern Online-Händler wie Ebay oder Etsy, dass sie ihr Großbritannien-Geschäft in gleichem Maße beibehalten. Rund zwei Jahre lang werden das Vereinigte Königreich und die EU über die Konditionen der neuen Beziehung verhandeln. Meyer-Schwickerath von der britischen Handelskammer in Deutschland hofft auf ein Paket an politischen Verträgen, in dem auch der Datenschutz geregelt wird. Und er mahnt zur Besonnenheit. „Bloß keine Eile jetzt“, sagt er. „Ein paar Monate Rechtsunsicherheit sind besser, als ein schlechtes Ergebnis der Verhandlungen.“ Er plädiert für ein möglichst pragmatisches, weitsichtiges und nicht kleinkariertes Abkommen,damit der freie Handel und die vielen davon betroffenen Arbeitsplätze erhalten bleiben.


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