Weltwirtschaftsforum zwischen Reich und Arm

Der Managergipfel in Davos nimmt sich der zunehmenden sozialen Spaltung an

Teilen!

Von Hannes Koch

20. Jan. 2015 –

Manche Leute wissen nicht, wohin mit ihren Millionen und Milliarden. Flugunternehmer Richard Branson hat einen Raumfahrtbahnhof in die Wüste von New Mexico bauen lassen, der nun leersteht. Elon Musk, Mitgründer des Bezahldienstes Paypal, arbeitet am Bau einer Vakuum-Röhre, durch die Menschen mit 1.200 Stundenkilometern reisen sollen. Mit sehr viel Geld ist sehr viel möglich, manchmal.

 

Einige der Superreichen kommen ab Mittwoch wieder zum Weltwirtschaftsforum (WEF) nach Davos. Auch von ihrer Anwesenheit lebt die Veranstaltung, die dieses Jahr zum 45. Mal in dem Schweizer Bergort stattfindet. Die Milliardäre lassen sich für ihre Ideen und Erfolge feiern – und für ihre Wohltätigkeit. PolitikerInnen wie Angela Merkel reisen hin, um gezielte Botschaften an die Wirtschaftselite, die Manager, Banker und Investoren zu senden.

 

Gerade jetzt aber birgt dieser Charakter des WEF für die Organisatoren eine besondere Herausforderung. Denn eines der großen weltpolitischen Themen ist die zunehmende Ungleichheit zwischen Reich und Arm. Auf´s Neue initiiert hat die Debatte der französische Ökonom Thomas Piketty mit seinem Buch „Das Kapital im 21. Jahrhundert“. Das WEF muss nun den Spagat hinkriegen, die oberen Zehntausend zu hofieren, sich im selben Augenblick aber von ihnen zu distanzieren. Im Sinne des Anspruchs des Forums „den Zustand der Welt zu verbessern“ will man dem Thema der sozialen Spaltung nicht ausweichen.

 

„Wachsende Ungleichheit würde eine der gängigsten Annahmen über unsere Wirtschaft infrage stellen: dass Wachstum für Wohlstand für alle sorgt“, schrieb Philipp Rösler, früherer FDP-Wirtschaftsminister und jetzt WEF-Manager, kürzlich in einem Zeitungsartikel mit der Überschrift „Piketty ernst nehmen“. Und Programmdirektor Sebastian Buckup zählt eine Reihe von Diskussionsveranstaltungen auf, die sich mit Ungleichheit beschäftigen.

 

Piketty selbst hat man ebenfalls eingeladen, doch der sagte ab. Seine Thesen stehen trotzdem im Raum. Der wesentliche Punkt: Die Kapitalrendite weltweit habe bis etwa 1910 immer über der Wachstumsrate gelegen. Die Einkommen und Vermögen der Reichen wuchsen deshalb schneller als die der normalen Leute, deren Verdienste an das Wirtschaftswachstum gekoppelt seien. Durch die beiden Weltkriege und die Etablierung der westlichen Sozialstaaten, so Piketty, habe sich dieses Verhältnis bis in die 1970er Jahre umgekehrt: Erstmals stiegen die Löhne schneller als die Kapitaleinkommen. Seitdem drohten aber die alten Verhältnisse zurückzukommen.

 

Unter anderem durch die starke Zunahme extrem hoher Verdienste: Investmentbanker und Konzernvorstände nehmen gerne mal 20 Millionen Euro im Jahr mit nach Hause, jugendliche Firmenchefs wie Facebook-Gründer Marc Zuckerberg werden innerhalb weniger Jahre Milliardäre. „Silicon Sultans“ hat das britische Wirtschaftsmagazin Economist solche Leute kürzlich genannt, in Anlehnung an frühere „Räuberbarone“ wie Öl-Unternehmer John Rockefeller.

 

Diese Entwicklung schlägt sich auch in Deutschland nieder. Der Abstand zwischen den Einkommen der Armen und der Mittelschicht einerseits und den Reichen nimmt zu. Seit 2000 habe „vor allem die Gruppe der höchsten Einkommensbezieher überdurchschnittliche Zuwächse erzielt“, so Markus Grabka vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung. Das passt zu einem Befund, den die Bürgerrechtsorganisation Oxfam gerade anlässlich des WEF veröffentlicht hat. Demnach nahmen die Vermögen der reichsten 80 Personen weltweit zwischen 2010 und 2014 so zu, dass sie mehr besitzen als die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung.

 

So kann „die Legitimation der geltenden Wirtschaftsordnung verlorengehen“, weiß Philipp Rösler. Im Namen des WEF plädiert er deshalb für „inklusives Wachstum“. Ungleichheit soll bekämpft werden, indem möglichst viele Menschen „bessere Bildungs-, Aufstiegs- und Teilhabechancen“ bekommen. Gute Schulen, Universitäten und vernünftig bezahlte Arbeitsplätze führen in dieser Sicht dazu, dass die Einkommen der Bevölkerungsmehrheit langfristig stärker steigen und sich der Abstand von den Superreichen verringert.

 

WEF-Programmdirektor Buckup sieht eine Chance darin, dass sich der technische Fortschritt infolge der Digitalisierung beschleunige, dadurch die Produktivität der Unternehmen und Arbeitskräfte steige und diese dann mehr verdienten. Auch er betont die wichtige Rolle guter Ausbildung. Diese Vision kann allerdings nur funktionieren, wenn durch die Digitalisierung mehr vernünftig bezahlte Arbeitsplätze neu entstehen, als vernichtet werden. Ist inklusives Wachstum also alles? Nicht ganz. Buckup sagt: „Zu allererst brauchen wir Wachstum. Aber richtig ist auch, dass damit die Verteilungsprobleme noch nicht gelöst sind.“

 

Eine entscheidende Konsequenz daraus allerdings lässt das Forum weitgehend unbeachtet. Piketty plädiert ja dafür, die extrem steigenden Einkommen und Vermögen der Superreichen durch hohe Steuern einzuebnen. Der Ökonom schlägt progressive Abgaben vor, die 80 Prozent des jährlichen Zugewinns der Elite konfiszieren sollen. Dass solche Ideen bei den Besuchern des Weltwirtschaftsforum wenig Anklang finden, verwundert nicht. So kommt im Programm das Thema Steuerpolitik nicht einmal vor.

« Zurück | Nachrichten »