Wenig Konkretes gegen die Finanzkrise

Die Bundesregierung will Banken stärker regulieren – eine Lehre aus der Krise. Viel passiert ist allerdings bisher nicht. Ein vorläufiges Fazit

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Von Hannes Koch

30. Jun. 2009 –

Die Situation ist paradox. Da ist die größte Finanzkrise seit 80 Jahren im Gange. Die Politik versucht mühsam, den Kollaps zu verhindern. Viel wird über grundsätzliche Änderungen im Weltfinanzsystem gesprochen. Doch selbst Bundeskanzlerin Angela Merkel warnte die Banken jüngst davor, ins alte Fahrwasser zurückzukehren. Auch Martin Blessing, Vorstand der teilverstaatlichten Commerzbank, sieht diese Gefahr: „Wir müssen verhindern, dass das Casino wieder öffnet“.


Setzt die Politik den großen Banken und Investoren zu wenig entgegen? In dieser Woche, der letzten Sitzungswoche vor der Bundestagswahl im September, beschließt der Bundestag mehrere Gesetze, die für eine bessere Regulierung der Finanzbranche sorgen sollen. Dies ist Anlass für unsere Zeitung, ein vorläufiges Fazit der staatlichen Interventionen gegen die Finanzkrise zu ziehen. Welche Verbesserungen hat die deutsche Politik – abseits von Ankündigungen – bis jetzt tatsächlich durchgesetzt?


Eine der größten Veränderungen besteht darin, dass viele Banken augenblicklich nicht mehr autonom entscheiden können, sondern vorläufig auf die Zustimmung der Politik angewiesen sind. Banken, die Geld vom Staat erhalten, müssen einige Richtlinien akzeptieren. Dazu gehört, dass die Ausschüttung von Gewinnen an die Aktionäre begrenzt ist und Vorstände maximal 500.000 Euro Gehalt pro Jahr beziehen dürfen.


Außerdem hat die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) bestimmte Geschäfte grundsätzlich verboten. Die Aufseher halten sie augenblicklich für zu gefährlich. So dürfen Investoren bis Ende Januar 2010 keine „ungedeckten Leerverkäufe“ mit Aktien von elf Bankinstituten tätigen. Bei Leerverkäufen spekulieren Investoren mit Papieren, die sie gar nicht besitzen. Um den Zusammenbruch der deutschen Bankenwirtschaft zu verhindern, hat die Bafin solche Geschäfte mit Aktien unter anderem der Deutschen Bank und der Commerzbank untersagt.


Mit dem Gesetz zur Stärkung der Finanzmarkt- und Versicherungsaufsicht, das der Bundestag am kommenden Donnerstag beschließen soll, erhält die Bafin zusätzliche Eingriffsrechte. Das Amt unter Leitung von Jochen Sanio kann Instituten dann vorschreiben, ihre Geschäfte mit mehr Eigenkapital zu unterlegen. Das erhöht die Sicherheit und verringert das Risiko.


Zusätzlich wird der Bundestag am Freitag wohl das Gesetz gegen Steuerflucht beschließen. Damit will die Regierung Druck auf Länder wie Liechtenstein und die Schweiz ausüben. Diese sollen deutschen Finanzämtern mehr Informationen über unversteuertes Kapital übermitteln, das Bundesbürger ins Ausland geschafft haben.


Am Beispiel des Gesetzes gegen Steueroasen lässt sich allerdings auch ablesen, wie zäh der Regulierungsprozess abläuft. Um das Gesetz zu einem wirkungsvollen Instrument zu machen, sollen die Steueroasen in einer Verordnung namentlich genannt werden. Ob es zu deren Verabschiedung aber vor der Bundestagswahl noch kommen wird, ist fraglich – Union und SPD können sich nicht einigen.


Im Argen liegt auch die Aufsicht und Kontrolle der wichtigen Banken. Hier kursieren zwar viele Vorschläge, doch neue Institutionen und Verfahren wurden bislang nicht etabliert. Weder haben Bafin und Bundesbank bislang eine wirkungsvollere Kooperation entwickelt, noch existiert eine solche zwischen den nationalen Aufsichtsbehörden auf europäischer Ebene. „Die Aufseher müssen mehr in die Geschäftspolitik der Institute eingreifen“, sagt Gerhard Schick, finanzpolitischer Sprecher der Grünen, „sonst kehren die Banken zu ihren alten Methoden zurück.“


Die Opposition im Bundestag bemängelt auch, dass der finanzpolitische Verbraucherschutz nicht recht vorankomme. Eine spezielle Behörde, die die Interessen der Privatkunden gegenüber die Finanzwirtschaft durchsetzen könnte, arbeitet in Deutschland bislang nicht. Anders in Großbritannien: Dort schickt die Finanzaufsicht FSA verdeckte Ermittler zu Banken, um die Qualität der Kundenberatung zu testen. „Für solche Kontrollen fehlt uns in Deutschland die gesetzliche Grundlage“, sagt Sabine Reimer, die Sprecherin der Bafin.


Zwei Jahre nach Beginn der Finanzkrise, neun Monate nach dem Zusammenbruch von Lehman Brothers in den USA, lautet das Fazit: Es wird viel mehr debattiert als umgesetzt.

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