Weniger Bluttests bei Daimler

Autokonzern verzichtet auf Blutuntersuchungen bei Bewerbern für kaufmännische Berufe. WDR hält daran fest. Mediziner verteidigen Bluttests, fordern aber mehr Zurückhaltung

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Von Hannes Koch

10. Nov. 2009 –

Der Autokonzern Daimler verzichtet teilweise auf die umstrittenen Bluttests bei Stellenbewerbern. Das erklärte das Unternehmen am Dienstag. Die Untersuchungen würden nur noch durchgeführt, wenn dies für den Arbeitsplatz unbedingt erforderlich sei. Datenschützer hatten Daimler und andere Unternehmen in den vergangenen Wochen kritisiert, weil sämtliche Bewerber vor der Unterzeichnung des Arbeitsvertrages einen Bluttest absolvieren mussten.


Daimler hat diese Praxis nun bis auf Weiteres eingestellt. Man will eine grundsätzliche Entscheidung des baden-württembergischen Innenministeriums abwarten. Bewerbern für kaufmännische Arbeitsplätze werde einstweilen kein Blut mehr abgenommen, hieß es beim Unternehmen. Anders bei Aspiranten für Stellen in der Produktion: In diesen Fällen finden die Tests weiter statt. Daimler begründet dies damit, dass die Tests beispielsweise Hinweise auf Diabetes lieferten. Solche Bewerber würden zwar nicht unbedingt abgelehnt, könnten teilweise aber nicht im Schichtbetrieb arbeiten.


Daimler ist das erste Unternehmen, das auf die Tests teilweise verzichtet. In den vergangenen zwei Wochen hatten mehrere Firmen, darunter Merck, Beiersdorf und der Norddeutsche Rundfunk (NDR) eingeräumt, alle aussichtsreichen Kandidaten einer Blutuntersuchung zu unterziehen. Auch der Westdeutsche Rundfunk (WDR) zapft angehenden Journalisten und Technikern Blut ab, um Hinweise auf Drogen, Alkoholismus, Diabetes und andere Anormalitäten zu erhalten.


Während Datenschützer und Arbeitsrechtler dieses Vorgehen kritisieren, weisen Mediziner auf die möglichen Vorteile hin. Ergebe der Test bei einem Stellenbewerber „erhöhte Blutzuckerwerte, so kann dies ein Hinweis auf Diabetes sein“, sagt Friedrich Hofmann, Professor für Arbeitsmedizin an der Universität Wuppertal. Die Zuckerkrankheit „schränkt die Eignung eines Bewerbers für Schichtdienste möglicherweise ein“, so Hofmann. Unregelmäßige Arbeitszeiten und Nachtschichten können zu Komplikationen bei Zuckerkranken führen.


Mediziner verweisen allerdings gleichzeitig auf die Probleme und die beschränkte Aussagekraft der ausgedehnten Bluttests. „Für bestimmte Tätigkeiten“ wie Büroarbeit „spielt Diabetes keine Rolle“, sagt etwa Tino Schwarz, Laborleiter am Juliusspital in Würzburg. Nur „bei gefährlichen Tätigkeiten kann Diabetes die Eignung eines Bewerbers möglicherweise in Frage stellen“, so Schwarz.


Zurückhaltung bei den Tests legt auch Harald Bias nahe, der die Arbeitsmedizin am Klinikum Charité in Berlin leitet: „In den meisten Fällen liefert der Blutzuckerwert keinen Hinweis darauf, ob die betreffende Person für eine bestimmte Tätigkeit geeignet ist oder nicht. Ich kann mir bei einem Arbeitgeber, der überwiegend Bürotätigkeiten anbietet, nicht vorstellen, welche Rückschlüsse man aus den Blutzuckerwerten im Hinblick auf die Eignung ziehen will“.


Dies entspricht der überwiegenden Einschätzung von Arbeitsrechtlern. Nur Arbeitnehmer, die eine besondere Verantwortung tragen, müssen sich demnach einem Bluttest unterziehen. Bei Ärzten will man damit beispielsweise Infektionen mit Hepatitis ausschließen, die auf Patienten übertragen werden könnten. Als juristische Faustregel gilt: Arbeitgeber dürfen nur die unbedingt notwendigen Daten ihrer Beschäftigten sammeln und speichern. Blutwerte gehören meistens nicht dazu. Dieser Erkenntnis hat Daimler sich nun angenähert.

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