• Küstenschutz in Mosambiks: Mit Sandsäcken und Müllpaketen versuchen die Menschen das Meer aufzuhalten.

Wenn eine Stadt im Meer verschwindet

Beira, eine Küstenstadt im ostafrikanischen Mosambik könnte in wenigen Jahrzehnten im Meer verschwinden. Grund für die Prognose sind die Folgen des Klimawandels. Die Bevölkerung kämpft gegen die unberechenbare Macht des Wassers.

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11. Nov. 2015 –

Cheizin Mussa hat Angst. Angst vor dem Wasser, das den Grund ihres Hauses wegzuspülen droht. Furcht vor dem Tag, an dem sie und ihre Familie ihr Zuhause verlassen müssen. „Es dauert nicht mehr lang“, sagt die 35-Jährige. Cheizin Mussa lebt mit ihren vier Kindern und fünf weiteren Familienmitgliedern in einem Häuschen an der Küste Beiras, einer Kleinstadt im Osten Mosambiks. Mit Sandsäcken und Müllpaketen versuchen die Bewohner, ihre Häuser vor dem Wasser zu schützen. „Regelmäßig läuft der Keller voll“, sagt Mussa. Weht der Wind besonders stark, überspült das Wasser sogar die nahegelegene Straße. Es ist ein verzweifelter Kampf der Küstenbewohner gegen die Macht des Meeres.


Mosambik gehört zu den Staaten Afrikas, die mit am stärksten vom Klimawandel betroffen sind. Vor allem die Bevölkerung an der Ostküste leidet an den Folgen. Der Meeresspiegel steigt und verschärft die Erosion an der Küste. Hinzu kommt, dass die Niederschläge in der Regenzeit und tropische Stürme deutlich zunehmen. Die Folge: Ganze Viertel werden regelmäßig überflutet, denn Abwasser- und Regensysteme gibt es kaum. Das Wasser zerstört nicht nur die Ernte und damit das Einkommen der Menschen. Mit den Überschwemmungen kommen die Mücken und mit den Insekten die Malaria. Jedes Jahr erkranken Hunderte Bewohner Beiras, bei vielen verläuft die Krankheit tödlich.


Der Bürgermeister der Küstenstadt, Daviz Simango, weiß wie dramatisch die Lage seiner Stadt ist. „Der Meeresspiegel wird in den nächsten 20 oder 30 Jahren vermutlich um einen halben Meter steigen“, sagt der stämmige Mann, der seit über zehn Jahren an der politischen Spitze Beiras steht. „Wir brauchen das Wasser. Doch in der Vergangenheit wurden viele Fehler gemacht.“ Damit meint er etwa das Fällen der Mangrovenbäume an der Küste oder die fehlenden Abwasserkanäle.


Gegen die Wassermassen kann auch Simango nur wenig tun. Er setzt auf einen besseren Schutz bei Überschwemmungen. Helfen soll beispielsweise ein Bauprojekt, das den Lauf des Flusses Chiveve umleiten soll. Regnet es stark, sind etwa die Slums Goto und Chipangara regelmäßig überschwemmt. In der Regenzeit von November bis März verlieren Hunderte Bewohner ihre Häuser. Viele suchen Zuflucht auf dem Land. Fließt das Wasser ab, kehren sie zurück und versuchen zu retten, was das Wasser übrig ließ. Ein Teufelskreislauf, der sich nur schwer durchbrechen lässt. Die Renaturierung des Flusslaufs soll das künftig verhindern. Hinzu kommt ein Gezeitenbauwerk am Hafen. Damit sollen die Landstriche auch vor Sturmfluten geschützt sein.


Schon als kleines Kind kam Cheizin Mussa gerne an den Strand. Zum Spielen und Schwimmen, das Meer war Freund und nicht Feind. „Damals war hier noch ein Garten direkt vor unserem Haus“, erinnert sich die Frau mit den streng zurückgekämmten schwarzen Haaren und dem strahlend blauen Kleid. Wo vor rund 30 Jahren noch Süßkartoffeln und Gemüse angebaut wurden, hat das Meer sich das Land geraubt. Weiß sie, warum sich die Küste so verändert hat? „Die Temperatur wird wärmer, das Meer kommt immer näher“, sagt sie. Von den Bauvorhaben ihres Bürgermeisters, weiß sie nichts. „Wir haben bisher keine Hilfe von der Regierung bekommen“, klagt sie.


Das Chiveve-Projekt kostet rund 16 Millionen Euro, größtenteils finanziert von der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW). Insgesamt stellte das deutsche Entwicklungsministerium für 2014 und 2015 rund 128 Millionen Euro für eine „nachhaltige, soziale und wirtschaftliche Entwicklung“ Mosambiks bereit. „Bereits jetzt ist der Grundwasserspiegel in Beira sehr hoch“, sagt Bianca Reichel, Projektmanagerin bei der Consulting Engineers Salzgitter GmbH. Die Braunschweiger Firma hat Reichel in die Küstenstadt geschickt, um bei der Planung und Umsetzung des Chiveve-Projekts zu helfen. „Sogar das Stadtzentrum könnte in wenigen Jahren überflutet werden“, sagt die Expertin für Internationale Entwicklung. Wie Bürgermeister Simango geht auch Reichel von einer Verschärfung der Lage in den kommenden Jahren aus. Die Menschen an der Küste versuchten mit der Übermacht des Wassers zu leben, viele hätten größtenteils resigniert, sagt sie. Was ihnen langfristig bleibt, ist das Land zu verlassen.


Auch Reichel weiß, dass Entwicklungsprojekte die Folgen des Klimawandels in Beira nur abmildern können. Die Umleitung des Chiveve ist dabei nur ein Baustein. Es geht um die Wiederaufforstung von Mangrovenwäldern, um den Bau von Abwassersystemen und die Entsorgung von Müll in den Armenvierteln. Ob es Beira in zwei Jahrzehnten noch in der Größe geben wird, wagt Reichel zu bezweifeln. „Beim Klimawandel überschlagen sich ja die Vorhersagen“, sagt die Projektmanagerin. Aber als Ingenieurin ist auch ihr klar, dass das Zusammenspiel von Küstenerosion, Überschwemmungen und ansteigendem Meeresspiegel nichts Gutes für die Bevölkerung verheißt.


Das Leben ist hart in Beira. Cheizin Mussa schlägt sich mit Jobs bei einer Autovermietung durch. Ihr Mann ist Händler und im ganzen Land unterwegs. Von ihrem Haus aus, sieht sie das alte Standesamt. Ein ehemals prächtiger Bau, heute wirkt das Gebäude leer und verlassen. Das Standesamt ist nur ein Beispiel für den Zerfall der Region. „Hier waren überall Häuser“, sagt Mussa. Viele ehemalige Nachbarn haben bereits das Gebiet verlassen und sich ein neues Zuhause im Landesinneren gesucht. „Doch wohin sollen wir gehen?“ Ihre Kinder gehen hier in die Schule, sie muss sich um ihre alten Angehörigen kümmern. Solange das Haus steht, wird Mussa bleiben. Wie lange noch, das kann ihr keiner sagen.

 

Fakten über Mosambik:

Mosambik ist eines der ärmsten Länder der Welt und erreicht im Human Development Index den vorletzten Platz (185). Etwa 25 Millionen Menschen leben in dem südostafrikanischen Land, rund die Hälfte der Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze. Seit dem Ende des Bürgerkriegs 1992 arbeitet das Land am Wiederaufbau. Schätzungen zufolge wächst die Wirtschaft jedes Jahr zwischen sieben und acht Prozent. Das Land profitiert zunehmend von den riesigen Gasvorkommen, die erst vor wenigen Jahren entdeckt wurden. Doch die Einnahmen kommen kaum bei der Bevölkerung an.

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