Widerstand gegen die Ökodiktatur

Wir retten die Welt

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Von Hannes Koch

02. Okt. 2015 –

Meine 18jährige Tochter ist streng. „Du sollst nicht die Heizung anmachen“, herrscht sie ihren 15jährigen Bruder an, „es ist erst Mitte September“. Mein Sohn liebt es, barfuß, in kurzer Hose und T-Shirt herumzulaufen, unabhängig von der Jahreszeit. „Der Sommer ist vorbei, mir ist kalt“, begründet er einleuchtend. „Dann zieh einen Pullover an“, klingt es schneidend von der anderen Seite des Küchentisches.

 

„Wir haben doch Ökostrom“, versucht er eine Gegenwehr. Da könnten wir ruhig ein bisschen mehr Energie verbrauchen. Grundsätzlich kein schlechtes Argument, denke ich und warte gespannt auf die Replik. Die kommt gnadenlos: Tatsächlich heizen wir mit Erdgas, Treibhausgasausstoß und Klimaschaden inklusive.

 

Der Erfolg bringt meine Tochter in Fahrt. Zwei Liter Milch habe sie kürzlich gekauft. „Am nächsten Tag waren die schon weg.“ Ja, räumt mein Sohn ein, schon ziemlich genervt, den einen Liter habe er ex getrunken, der andere kam in´s Müsli. „Voll die Verschwendung!“ echauffiert sich die Schwester. Und dann noch der Mangosaft, den er ständig konsumiere.

 

„Halt“, interveniere ich, „der ist aus fairem Anbau.“ Und der Dünger, und der Transport, fragt sie, ob wir da mal dran gedacht hätten? Wir sollten Wasser trinken, das habe einen geringeren ökologischen Fußabdruck als Milch und Mangosaft. Wir müssten die weltweite Umwelt schützen, erklärt sie, während sie an einer Banane und einer Paprika herumschnipselt, die auch nicht gerade in Brandenburg gewachsen sind.

 

Wieso sie nicht ausschließlich trockenes Brot vom heimatlichen Getreidefeld verzehre? ätzt nun mein Sohn zurück. Und wenn es bei uns schon monatelang keine Wurst mehr zum Frühstück gebe, dann wolle er mindestens Milch trinken. Zu irgendwas müssten die Kühe ja gut sein.

 

Ein Argument, das ich nachvollziehen kann. Denn Maximalforderungen betrachte auch ich mit gemischten Gefühlen – wie beispielsweise die Ziele für Nachhaltige Entwicklung, die die Vereinten Nationen am letzten September-Wochenende in New York beschließen. Eine Forderung des Katalogs, der bis 2030 Wirklichkeit werden soll, lautet „nachhaltige Konsummuster“. Wer das ernst nimmt, muss sein tägliches Leben radikal ändern - kein Fleisch essen, nicht Auto fahren, kaum noch Müll produzieren. Wie soll das funktionieren, will ich das wirklich? Wobei dennoch das alte Revoluzzer-Motto richtig bleibt: Sei realistisch, verlange das Unmögliche. Denn nur wenn die Latte hoch liegt, kommt es überhaupt zu Fortschritt.

 

In diesem Sinne versucht meine Tochter, die Utopie in die Praxis umzusetzen. Kurz nach unserer Debatte hat sie noch was vor. Mit ihrer besten Freundin geht sie containern. Der englische Begriff Dumpster-Diving trifft es besser: Mülleimer-Tauchen. Der Sinn der Sache besteht darin, Lebensmittel aus dem Abfall zu bergen, die noch verzehrbar sind. Um zwei Uhr nachts springt mein sauberer Nachwuchs also in Abfallbehälter von Kreuzberger Supermärkten, um später eingeschleimt und schmierig wieder daraus hervorzukriechen. Ich erwäge, eine Industrie-Waschmaschine für besonders schmutzige Kleidung anzuschaffen, Stromverbrauch hin oder her.

 

Jedenfalls rettet mein Früchtchen in dieser Nacht einiges Obst, mehrere Packungen Naturkind-Bio-Salat, elf Joghurts, die am kommenden Tag ablaufen, zwei Brote und eine Handvoll Bio-Möhren, einige davon altersschwach. Diese sollen wir zum Frühstück essen. Hinter dem Rücken meiner Tochter verfüttere ich die aber an die Meerschweinchen im Garten. Das erfährt sie erst jetzt. Und am nächsten Tag kaufe ich mal wieder eine schöne dicke Gelbwurst.

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