„Wir fordern direkte Verhandlungen mit Adidas“

Gewerkschafterin Ramirez vertritt ArbeiterInnen, die für Adidas in El Salvador arbeiten. Der Hauptversammlung des Konzerns überbringt sie die Forderung nach höheren Löhnen

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Von Hannes Koch

06. Mai. 2014 –

Hannes Koch: Frau Ramirez, als Gewerkschafterin vertreten Sie Arbeiterinnen und Arbeiter in El Salvador, die für Adidas Sportbekleidung nähen. In dieser Woche nehmen Sie an der Hauptversammlung des Konzerns in Fürth teil. Was wollen Sie den Adidas-Aktionären sagen?

 

Estela Ramirez: Der Konzern soll seine Zulieferfabriken verpflichten, den Arbeitern und Arbeiterinnen Löhne zu zahlen, die ein menschenwürdiges Leben ermöglichen. Außerdem fordern wir, dass Gewerkschaften wie unsere ungehindert über die Löhne und Arbeitsbedingungen verhandeln können.

 

Koch: Sind Näherinnen in El Salvador, die Sporttrikots für Adidas fertigen, in der Lage, mit ihren Löhnen ein normales Leben zu finanzieren?

 

Ramirez: Keinesfalls. Der Mindestlohn liegt gegenwärtig bei 202 US-Dollar (146 Euro) pro Monat. Davon abgezogen werden noch Abgaben für die Sozialversicherung. Hinzu kommen aber manchmal Bonuszahlungen.

 

Koch: In seinem Sozialstandard verspricht Adidas, dass alle Beschäftigten in den Zulieferfabriken eine Bezahlung erhalten, die nicht nur für Essen und Wohnung reicht, sondern beispielsweise auch dafür, etwas Geld zu sparen. Hält die Firma dieses Versprechen ein?

 

Ramirez: Nein, eine vierköpfige Familie braucht in El Salvador rund 600 Dollar (400 Euro), um ihre Grundbedürfnisse zu decken und beispielsweise die Kinder zur Schule zu schicken. Selbst, wenn beide Eltern für Adidas arbeiten, haben sie keine Chance, ein solches Einkommen zu erreichen.

 

Koch: Wie kommen sie dann über die Runden?

 

Ramirez: Die Arbeiterinnen und Arbeiter machen zusätzliche Jobs. Frauen verkaufen Tortillas oder selbst gebackenes Brot auf der Straße. Manche prostituieren sich. Die Männer arbeiten am Wochenende auf dem Bau, beladen Lastwagen oder bieten Erfrischungsgetränke bei Sportveranstaltungen an.

 

Koch: Ist der Vorstand von Adidas bereit, mit Gewerkschaftern wie Ihnen über Lohnerhöhungen zu verhandeln?

 

Ramirez: Bis jetzt nicht. Der Konzern argumentiert, verantwortlich wären die Besitzer der Zulieferfabriken. Diese weigern sich allerdings oft, über höhere Löhne zu sprechen. Wir verlangen deshalb direkte Verhandlungen mit Adidas. Der Konzern ist verantwortlich für die Bedingungen in den Zulieferfabriken, weil er ihnen die Aufträge gibt.

 

Koch: Wie wollen Sie das Unternehmen zum Einlenken bewegen?

 

Ramirez: Mein Auftritt bei der Hauptversammlung ist ein Teil unserer Aktivitäten. Gewerkschaften, die Adidas-Beschäftigte unter anderem in Bangladesh, Honduras, Kambodscha, auf den Philippinen und in der Türkei vertreten, haben sich zusammengeschlossen. Die Probleme sind überall ähnlich. Mit gemeinsamem Vorgehen wollen wir den Druck auf das Unternehmen erhöhen.

 

Koch: Hat sich das Verhalten des Unternehmens in den vergangenen Jahren zum Positiven verändert?

 

Ramirez: Nein. Wenn Gewerkschaften versuchen, in einer Fabrik höhere Löhne durchzusetzen, droht Adidas, die Aufträge zu anderen Firmen zu verlagern.

 

Koch: Sie haben selbst früher für Adidas gearbeitet und versucht, bessere Bedingungen durchzusetzen. Wie hat der Konzern damals reagiert?

 

Ramirez: Die Fabrik Hermosa in El Salvador wurde geschlossen.

 

Koch: Was können Verbraucher in Deutschland tun, um Sie zu unterstützen?

 

Ramirez: Sie sollten Adidas wissen lassen, dass sie die Forderung nach höheren Löhnen mittragen. Ein Mittel dafür sind die Protestmails der Kampagne für Saubere Kleidung.

 

Info-Kasten

Estela Ramirez (44) leitet eine Gewerkschaft für Textilarbeiter in El Salvador. Anlässlich der nahen Fußballweltmeisterschaft protestiert diese, weil in den Zulieferfabriken für Adidas grundlegende Rechte verletzt würden. Die Kampagne für Saubere Kleidung führt deshalb ihre Protestaktion „Play Fair – Pay Fair“ durch. Adidas ist einer der größten Sportartikelhersteller und ein Hauptsponsor der WM. Die Trikots der deutschen Nationalmannschaft tragen das Adidas-Logo.

www.ci-romero.de

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