„Wir werden an der Nase herumgeführt“

Es riecht nach Vanille beim Bäcker, nach Zitrone an der Fischtheke - Geschäftsleute versprühen Duftstoffe, damit Kunden zum Kaufen verführt werden. Mancher gibt leichtsinniger sein Geld aus. Nun warnt auch das Umweltbundesamt - vor gesundheitlichen Gefahr

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Von Hanna Gersmann

05. Dez. 2013 –

Weihnachten riecht gut, vielleicht zu gut. Denn dem Duft nach Tanne, Zimt, Vanille lässt sich nachhelfen – Läden lassen sich beduften. Nicht nur im Winter. Das Duftgeschäft läuft immer und allerorten. Die „Beduftung“ von Kaufhäusern, Banken oder Modeläden sei ein „Problem“, erklärt diese Woche das Umweltbundesamt. Die Mediziner der obersten Umweltbehörde warnen, dass „empfindliche Personen belästigt oder sogar gesundheitlich beeinträchtigt werden“ können.

 

Die Düfte sollen den Kunden die Sinne rauben. Sie sollen in Läden zum Kaufen, in Restaurants zum Essen, in Arztpraxen zum Wohlfühlen animieren. Duftdesigner kreiieren für jeden Ort und Anlass den passenden Stoff. Die Münchener Firma Voitino zum Beispiel. Sie ist einer der Großen in der Branche. Im Internet preist sie „Zitrusaroma an der Fischtheke“, „Backduft in der Backwarenabteilung“ oder „appetitanregender Duft für das Restaurant“ an. Auch im Angebot: der „Welcome-Duft für die Lobby“, der „Konzentrationsfördernde Duft“ etwa fürs Büro und „maskuline Düfte für den Herren-Umkleidebereich“.

Eva Goris kennt das Duftgeschäft wie sonst kaum jemand. Sie hat das Buch „Der Duftcode“ geschrieben und weiß: „Gegen Düfte kann der Mensch sich nicht wehren, denn mit jedem Atemzug nehmen wir automatisch Duftmoleküle auf.“ Ein Kunde bekomme oft gar nicht mit, dass über eine Aromasäule oder die Klimaanlage ein Duft verteilt werde. Duftmarketing gilt erst als perfekt, wenn es subtiler wirkt. Goris: „Bei geringer Dosierung nehmen wir den Duft oft nicht einmal bewusst wahr. Trotzdem können uns diese wenigen eingeatmeten Moleküle manipulieren.“

Über die Riechnervenzellen wirken die Duftmoleküle in einer Region des Gehirns – dem Limbischen System. Dort befindet sich auch das Zentrum, das Emotionen speichert. Der Mensch verbindet Düfte mit Erinnerungen. Der Duft ausgepusteter Kerzen weckt Weihnachtsgefühle aus der Kindheit, der Plätzchenduft erinnert an die Großmutter.

„Wir sind emotional berührt, wenn wir einen bestimmten Duft wahrnehmen“ meint Goris „und genau das machen sich Duftdesigner zu nutze.“ Fühlten sich Kunden wohl, seien sie nachweislich kauflustiger, blieben länger im Geschäft, gäben leichtsinniger Geld aus. Goris Fazit: „Wir werden an der Nase herumgeführt.“

Die Firma Voitino bestätigt das, auch wenn sie eine andere Formulierung wählt. Die „Beduftung“ sei eines der „effektivsten und kostengünstigsten Instrumente zur Verkaufsförderung“ und im „harten Wettbewerb“ nicht mehr „wegzudenken“. Das Marketing erobert den Luftraum.

Selbst „Staubsauger- oder Mülleimerparfum“ würden verkauft. Wolfgang Straff, Mediziner und Duft-Experte beim Umweltbundesamt, sieht die Allgegenwart von künstlichen Düften mit Argwohn. Es gebe hierzulande schätzungsweise eine halbe Millionen Duftstoff-Allergiker.

Der Deutsche Allergie und Asthmabund erklärt, dass Duftstoffe nach Nickel die zweithäufigste Ursache von Kontaktallergien sind. Im direkten Kontakt mit den Essenzen rötet und schuppt sich dann die Haut, sie juckt und schwillt an. Möglicherweise ruft auch das Einatmen der Allergene Symptome hervor. Und mancher entwickelt – ähnlich wie bei zu starkem Lärm – Stressreaktionen.

Für Kosmetika und Wasch- und Reinigungsmittel gibt es Richtlinien, nach denen zum Beispiel Duftstoffe, die besonders häufig Allergien auslösen, auf der Verpackung genannt werden müssen. Dazu gehören Citral, Farnesol oder Linalool. Für Duftkerzen und manch andere Produkte zur Beduftung von Räumen gilt das aber nicht. Und Geschäftsleute dürfen so viel versprühen wie sie mögen.

Dagegen tun lässt sich wenig. „Personen, die empfindlich auf Duftstoffe reagieren, bleibt nur, diese Ort nach Möglichkeit zu meiden“, sagt Straff. Für die eigenen vier Wände gibt er indes diesen Tipp: „zurückhaltend mit Duftlampen, Räucherstäbchen und Ähnlichem umzugehen.“ Und: „Besser die Wohnung regelmäßig lüften“.

 

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Allergieverdacht?

Der Mediziner Wolfgang Straff vom Umweltbundesamt rät jedem, der glaubt, auf Düfte allergisch zu reagieren: „Möglichst einen Hautarzt oder eine Hautärztin mit der Zusatzbezeichnung Allergologie aufsuchen! Die Diagnose kann echter Detektivarbeit ähneln: Durch genaue Befragung und Tests wird die Zahl der Stoffe, die in Frage kommen, eingegrenzt. Die Test sind wie eine Art Screening. Ein Duftstoffgemisch wird auf die Haut aufgetragen und die Reaktion über mehrere Tage beobachtet.“

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