Wirtschaftsweise für höhere Verschuldung
Konjunkturprogramm soll angesichts der Krise aufgestockt werden / Deutschland in der Rezession / Kritik an der Erbschaftsteuer
13. Nov. 2008 –
Die fünf Wirtschaftsweisen der Bundesregierung fordern ein weitergehendes Konjunkturprogramm. Zwischen zwölf und 24 Milliarden Euro sollen nach dem Willen des Sachverständigenrats vor allem in die Verkehrswege und das Bildungssystem gesteckt werden. „Wir stehen vor einem schweren Abschwung“, begründete der Experte Wolfgang Wiegard die Empfehlung des Rates. Mit den zusätzlichen Milliarden könnten der Wirtschaft notwendige Impulse verliehen werden. Die Regierungsberater wollen dafür auch neue Schulden in Kauf nehmen. In besseren Zeiten sollen die Mehrausgaben durch Umschichtungen im Haushalt wieder ausgeglichen werden. Die Gutachter sprechen sich für weitere Entlastungen der Bürger aus. Die mittleren Einkommen könnten bei der Einkommensteuer entlastet und der Grenzwert für den Spitzensteuersatz erhöht werden.
Die Vorschläge der Gutachter beinhalten indirekt eine deutliche Kritik an der Bundesregierung. Denn deren Beschlüsse zur Stärkung der Wirtschaftskraft gehen den Beratern augenscheinlich nicht weit genug. Verärgert zeigt sich der Ratsvorsitzende Bert Rürup beispielsweise über die geplanten Änderungen bei der Kfz-Steuer. „Wir halten von einer sektoralen Förderung gar nichts“, sagte Rürup. Auch lehnen die Professoren die geplante Reform der Erbschaftsteuer ab. „Damit wird das Ende der Erbschaftsteuer eingeleitet“, kritisierte Wiegard. Grund sei die Bevorzugung bestimmter Erben. So bleiben selbst genutzte Immobilien von der Steuer befreit. Dies werde vor dem Verfassungsgericht keinen Bestand haben, vermutet Wiegard. Wenn nach einem neuerlichen Urteil alle gleich behandelt werden müssten, hieße dies zwangsläufig das Aus für die Erbschaftsteuer.
Die vom Rat gezeichneten Konjunkturaussichten für die nächste Zeit sind düster. „Im nächsten Jahr wird Deutschland in die Rezession abgleiten“, erwartet Rürup. Die Gutachter gehen von einem Nullwachstum aus. Auch die Lage auf dem Arbeitsmarkt verschlechtert sich wieder. Im Jahresdurchschnitt rechnen die Experten mit rund 3,3 Millionen Arbeitslosen, 35.000 mehr als im Durchschnitt des Jahres 2008. Wann es wieder aufwärts geht, wissen auch die fünf Weisen nicht. Aber die Talsohle könnte bei günstigem Verlauf 2009 schon durchschritten werden.
Die Gutachter haben auch Lob für die Politik übrig. Das Rettungspaket für die Banken hat danach Schlimmeres verhindert. „Ohne staatliche Intervention wäre es zu einem Kollaps gekommen“, stellte Rürup klar. Ein Crash hätte zu dramatischen Konsequenzen für die Wirtschaft und die privaten Haushalte geführt. Die Gefahr einer gefährlichen Bankenpleite in Deutschland halten die Sachverständigen durch den Rettungsschirm nun für gering. Nun mahnen die Forscher eine Neuordnung des weltweiten Finanzsystems an.