Wirtschaftsweise zerreißen die Steuerpläne

Sachverständige erwarten harten Sparkurs und höhere Abgaben / Kritik an Koalition

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Von Wolfgang Mulke

13. Nov. 2009 –

Der Rat der Wirtschaftsweisen zerpflückt die Pläne der schwarzgelben Koalition. „Der Koalitionsvertrag wird den Anforderungen in keiner Weise gerecht“, kritisiert der Vorsitzende des Beratergremiums, Wolfgang Franz die Regierungsideen zu Steuersenkungen und für mehr Wachstum. Insbesondere die Steuer- und Haushaltspolitik halten die Weisen für untauglich. Für den von der FDP geforderten Stufentarif bei der Einkommensteuer fehlt nach Einschätzung des Weisen Wolfgang Wiegard schlicht das Geld. Dies würde Steuerausfälle zwischen 60 und 69 Milliarden Euro nach sich ziehen, rechnete der Wissenschaftler vor. Das Versprechen, keine Abgaben zu erhöhen, hält der Professor für kaum erfüllbar. Der Bund müsse etwa 40 Milliarden Euro im Jahr einsparen.

 

Der Rat kritisierte, dass im Koalitionsvertrag keine Aussagen zu Streichlisten gemacht werden. Ab 2011 müssten die Staatsfinanzen saniert werden, sonst stehe die Zukunft des Landes auf dem Spiel. Wenn die Konsolidierung nicht allein durch Ausgabenkürzungen erreicht werden kann, empfiehlt der Rat die Anhebung der Mehrwertsteuer. Deutliche Worte fanden die Forscher auch für die jüngst beschlossenen Steuersenkungen. Sie würden sich weder selbst finanzieren noch das Wachstum merklich beschleunigen. Kanzlerin Angela Merkel nahm das Gutachten trotzdem gelassen entgegen. Im Ziel seien sich beide Seiten einig, bemerkte sie bloß.

 

Wie instabil die wirtschaftliche Lage weiterhin ist, zeigt die Arbeitsmarktprognose des Rates. Danach steigt die Arbeitslosenzahl 2010 im Jahresdurchschnitt um 500.000 auf knapp vier Millionen. Dabei keimt zarte Hoffnung auf Besserung. Um 1,6 Prozent werde die Wirtschaft 2010 wachsen, heißt es im Gutachten des Sachverständigenrats. Auch das Statistische Bundesamt meldet eine Trendumkehr. Im dritten Quartal stieg das Bruttoinlandsprodukt um 0,7 Prozent und damit zum zweiten Mal in Folge. Doch liegt die Wirtschaftsleistung immer noch fast fünf Prozent unter der im Herbst 2008. Entwarnung wollte der Rat der Weisen daher nicht geben. „Es ist eine Erholung, aber kein Aufschwung“, sagte Franz.

 

Die Forscher fordern eine bessere Kontrolle der systemrelevanten Banken in Europa, damit sich eine Finanzkrise wie zuletzt nicht wiederholen kann. Dabei schwebt den Weisen die Gründung eines Stabilitätsfonds vor, den die Geldhäuser mit Abgaben speisen sollen. Je wichtiger eine Bank für ein funktionierendes Finanzsystem ist, desto mehr soll sie bezahlen.

 

Änderungen schlagen die Fachleute auch für den Euro-Stabilitätspakt vor. Die bisherige Verschuldungsobergrenze von drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes hält der Rat für ungenügend, weil die Regelung leicht umgangen werden kann. Die Staaten sollen sich zu festgelegten Ausgabenpfaden verpflichten. Wenn sich ein Land nicht an die Absprache hält, soll die EU-Kommission es notfalls zu Steuererhöhungen zwingen können. 

 

 

 

 

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