Wohnen beim Chef ist wieder im Kommen

Unternehmen entdecken die gute alte Werkswohnung neu. Vor allem in Ballungsgebieten wird ein Wohnangebot der Arbeitgeber zum Standortvorteil.

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Von Wolfgang Mulke

02. Mai. 2016 –

Das in vielen Ballungsgebieten knappe Angebot an bezahlbaren Wohnungen bringt nun wieder mehr Unternehmen auf die Idee, ihren Beschäftigten preiswerte zu einer Bleibe zu verhelfen. „Es gibt einen neuen Trend“, sagt der von Bodelschwingh, der die aktuelle Entwicklung bei den Werkswohnungen im Auftrag von Wohnungsunternehmen und Mieterbund untersucht hat. „Wohnen wird zum Standortfaktor“, beobachtet der Forscher.

 

Dabei sind es oft kleinere Betriebe wie die Berliner Bäckerei Märkisches Landbrot, die hier eine Vorreiterrolle einnehmen. Deren Chef Joachim Weckmann hat im Stadtteil Neukölln ein Haus mit 33 Wohnungen erworben. 50 Beschäftigte hat die Bäckerei. „Auch Neukölln erlebt eine Gentrifizierung“, sagt Weckmann. Es sei für die Mitarbeiter schon schwierig, in der Nähe des Betriebes noch preiswerte Unterkünfte zu finden. Deshalb bietet er seinen Wohnungen zu einem kostendeckenden Preis an. Zwischen sechs Euro und 6,50 Euro bezahlen seine Beschäftigten, die darin wohnen bleiben dürfen, auch wenn sie den Arbeitsplatz einmal wechseln. In der Umgebung des Hauses kostet der Quadratmeter fast das doppelte bei Neuvermietungen.

 

Von nahezu unbezahlbaren Wohnungen für Normalverdiener wissen auch die Stadtwerke in München zu berichten. Wohnungen im Neubau würden derzeit für durchschnittlich 18.63 pro Quadratmeter angeboten, sagt Peter Kadereit. Dagegen sind die von den Stadtwerken für ihre Beschäftigten gehaltenen Räume mit bis zu 14 Euro vergleichsweise günstig. 550 Wohnungen haben die Stadtwerke derzeit. In den kommenden fünf Jahren wird sich die Zahl verdoppeln. „Das ist ganz elementar, um die Zukunft unseres Unternehmens zu sichern“, sagt der Geschäftsführer. Denn jeder fünfte der über 9.000 Beschäftigten wird bald in Rente gehen. Neuen Bewerbern muss etwas geboten werden. Bis zu 120 Millionen Euro investieren die Stadtwerke daher in den Wohnungsbau.

 

Noch sind es vergleichsweise wenige Firmen, die diesen Weg beschreiten. Dabei haben Werkswohnungen eine lange Tradition, vor allem in der Industrie. Um 1880 herum setzte eine Bauwelle ein, ausgehend vom Ruhrgebiet. Es waren die Montan- und Bergbauunternehmen, die ihren Leuten Unterkünfte bauten. Ganze Stadtteile entstanden in dieser Zeit neu. Um 1900 herum gab es in Deutschland bereits mehr als 160.000 Werkswohnungen, bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs die doppelte Anzahl.

 

Selbst nach dem Zweiten Weltkrieg stieg ihre Zahl weiter an bis auf den Spitzenwert von bis zu 450.000 Wohnungen Ende der 70er Jahre allein in Westdeutschland. Danach setzte allmählich eine Verkaufswelle an. Die Unternehmen wollten sich auf ihr Kerngeschäft konzentrieren und verkauften in den letzten Jahrzehnten in großem Stile Wohnungen. Wie viele es heute noch gebe, sei nicht zu ermitteln, sagt Bodelschwingh. Die Werkswohnungen würden nirgendwo statistisch erfasst.

 

Der Deutsche Mieterbund (DMB) appelliert an die Betriebe, sich dem Trend zur Renaissance der Werkswohnungen anzuschließen. „Für uns ist das Wichtigste, wieder mehr bezahlbaren Wohnraum zu schaffen“, sagt DMB-Chef Lukas Siebenkotten. Gemeinsam mit dem Bundesverband der Wohnungsbauunternehmen fordert der Verband bessere politische Rahmenbedingungen dafür. So werden zu günstig vermietete Werkswohnungen von den Finanzämtern als geldwerter Vorteil bewertet und es werden Steuern dafür fällig. Auch das Baurecht ist bei betriebeigenen Arealen noch zu kompliziert. Schließlich schlägt Siebenkotten vor, den Bau von Werkswohnungen in die sozials Wohnraumförderung einzubringen.

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