Yes, she can
Merkels Versprechen der Staatsgarantie aller Spareinlagen gilt
10. Okt. 2008 –
Im Versuch, Vertrauen zu verbreiten, hat Bundeskanzlerin Angela Merkel Misstrauen gesäht. So lautet der Vorwurf gegen die staatliche Garantie aller Spareinlagen in Deutschland, die sie gemeinsam mit Bundesfinanzminister Peer Steinbrück am vergangenen Sonntag ausgesprochen hat.
Wie kann die Bundesregierung im Notfall das nötige Geld beschaffen? Diese Frage wird nun allerorten diskutiert. Die schnelle Antwort: Alles nur Bluff, die Summe sei viel zu groß, der Staatsbankrott deshalb nicht auszuschließen. Merkel sei konkrete Vorschläge schuldig geblieben. Die Kanzlerin habe ihr Versprechen nur deshalb gegeben, um es nicht einlösen zu müssen.
Das stimmt nicht. In den USA, wo die Finanzkrise begann, würde man in diesen Wochen sagen: „Yes, she can“. Denn Deutschland ist nicht Island. Der Mini-Staat im Nordmeer mit seinen 300.000 Einwohnern und einer Wirtschaftsleistung von rund zehn Milliarden Euro steht kurz vor dem Staatsbankrott. Die dortige Krise ist freilich mit unserer Situation in der drittgrößten Nationalökonomie der Erde kaum zu vergleichen. Deutschland erwirtschaftet jährlich Güter und Dienstleistungen im Wert von rund 2,3 Billionen Euro – also 2.300 Milliarden. Der Regierung dieses Landes stehen deshalb ungleich mehr Mittel zur Verfügung, um eine Krise abzuwenden, als der isländischen.
Die Merkel-Steinbrück-Garantie für alle Spar- und Sichteinlagen müsste im Ernstfall etwa eine Billion Euro (1.000 Milliarden) abdecken. Niemand kennt die Summe genau – in dieser Größenordnung allerdings bewegen sich die Ersparnisse der Bundesbürger. Das entspricht ungefähr der Summe, die der Bund seit den 1970er Jahren als Schulden angehäuft hat. Trotz dieser Belastung ist die Bundesregierung heute alles andere als bankrott. Bundesfinanzminister Steinbrück kann ohne Probleme einen Bundeshaushalt für 2009 aufstellen, der 288 Milliarden Euro umfasst. 42 Milliarden Euro davon muss er für Schuldzinsen und Tilgung ausgeben. Das ist schmerzlich, man mag es für falsch halten, aber die Handlungsfähigkeit der Regierung schränkt dieser Schuldendienst kaum ein.
Sollte also tatsächlich ein großer Teil der Ersparnisse der Bundesbürger in Gefahr geraten und die Bundesregierung sie ersetzen müssen, wäre das theoretisch möglich. Der Bund könnte die neue Schuldenlast schultern und müsste dafür einige Dutzend Milliarden Euro zusätzlicher Zinsen zahlen.
Woher aber soll der Bund kurzfristig 1.000 Milliarden Euro nehmen? Wer gäbe dem Staat einen so hohen Kredit? Antwort: Die neue Verschuldung würde nicht sofort in voller Höhe wirksam, sondern über Jahre gestreckt. Die Bundesregierung würde weltweit Staatsanleihen verkaufen, die Steuern massiv erhöhen und die chinesische Regierung bitten, einen Teil ihrer milliardenschweren Devisenreserven zur Verfügung zu stellen. Das alles wäre nicht schön. Denkbar erscheint allerdings, dass es funktioniert. Praktisch hat man es bisher nicht ausprobiert und wird es hoffentlich auch nicht ausprobieren müssen.
Und natürlich geht es nur um Theorie. Denn was ist Vertrauen? Der feste Glaube daran, dass eine Erwartung eintritt, eine Hoffnung sich erfüllt. Ob es wirklich dazu kommt, weiß man nicht.
Um die beruhigende Wirkung ihrer vertrauensbildenden Maßnahme nicht zu gefährden, sollte die Bundesregierung allerdings ein Spareinlagen-Sicherungsgesetz in den Bundestag einbringen. Einerseits würde sie damit die Parlamentarier in einer schwierigen Situation angemessen beteiligen, andererseits sähen die Bürger, dass das Versprechen der Kanzlerin ernst gemeint ist. Denn trotz der staatlichen Garantie nimmt die Verunsicherung mit jedem Tag zu. Gilt das Versprechen der Kanzlerin auch für uns?, fragen sich etwa die deutschen Kunden der isländischen Kaupting-Bank, die nicht mehr an ihre Online-Konten herankommen.
Grundsätzlich aber gilt: Das Versprechen der Bundesregierung ist belastbar. Man kann sich darauf verlassen. Jedenfalls ziemlich lange. Was danach geschehen könnte, beschreibt am besten der Satz: Wenn der Himmel einstürzt, sind alle Vögel tot.