Zeit kaufen

Opel - der Staat darf marode Firmen unterstützen

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Von Hannes Koch

13. Mär. 2009 –

20 Jahre nach dem Fall der Mauer und zwei Jahre nach Beginn der Finanzkrise ist es Zeit, an die Treuhand-Anstalt zu erinnern. Dieser Rückblick trägt zur Klärung der Frage bei, ob der Staat heute bedrohte Unternehmen retten oder fördern soll. Genau das muss die Regierung tun - entgegen des ablehnenden Votums, das die Spitzenverbände der Wirtschaft gestern abgegeben haben.


Die heutige Opel-Debatte wurde in den 1990er Jahren unter anderer Überschrift dauern geführt. Subventionen für Firmen – richtig oder falsch? Die Grundsatzentscheidung über den Eingriff des Staates in die Geschäftspolitik der Unternehmen wurde damals sehr schnell getroffen. Schließlich ging es um die berufliche Existenz von mehreren Millionen Menschen, deren Betriebe nicht überlebensfähig waren.


Unbestritten war und ist, dass der Westen Tausende Kombinate in Ostdeutschland und ihre Arbeitskräfte nicht einfach hängenlassen konnte. Die Treuhand übernahm alle Firmen, erhielt einige am Leben und wickelte die meisten langsam ab. Obwohl die wenigsten Ost-Betriebe eine Zukunft hatten, ist doch bis heute weit über eine Billion Euro Steuergeld in den Osten geflossen – möglicherweise mehr, als die Finanzkrise jemals kosten wird.


In den meisten Fällen handelte es sich um staatliche Sterbebegleitung. Der Bankrott der Betriebe wurde über Jahre gestreckt, in der Hoffnung, den Beschäftigten damit Auskommen und Entwicklungsmöglichkeiten zu erhalten. Die Alternativen – Armut und soziale Eruption – wollte der Westen bewusst vermeiden.


Wie man am Beispiel der Treuhand und der leidlich geglückten Transformation der fünf östlichen Bundesländer sehen kann, hat die Regierung mehr sinnvolle Optionen, als die Wirtschaftsverbände meinen. Prinzipiell sollte sich der Staat natürlich darauf beschränken, den ökonomischen Rahmen zu definieren, und nicht selbst Manager spielen. Und theoretisch richtig ist auch, dass nur gesunde Unternehmen staatliche Bürgschaften und Kredite erhalten sollten, weil die Förderung von defizitären Betrieben schnell Milliarden Steuergelder verschlingen kann.


Doch die Wirklichkeit findet man nicht im Lehrbuch der Ökonomie. Sie wird bevölkert von Menschen mit ihren Familien. Da arbeiten 25.000 Opel-Beschäftigte, die Zeit brauchen für die berufliche Neuorientierung. Es geht um ganze Städte, deren Bürgermeister nicht von heute auf morgen einen Plan für die ökonomische Modernisierung aus der Schublade ziehen können.


Möglicherweise ist auch für Opel das Ende vorgezeichnet. Der Niedergang der Marke hat nicht erst gestern begonnen. Es kann gut sein, dass diese Firma niemals mehr richtig auf die Beine kommt – mit oder ohne GM. Aber das sind keine Gründe, staatliche Unterstützung für den Übergang zu verweigern. Damit wäre selbst die EU-Kommission einverstanden – sie erlaubt Subventionen dann, wenn die Produktionskapazitäten reduziert werden. Staatliche Wirtschaftspolitik bedeutet oft ganz einfach: Zeit kaufen.

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