Zinsgeschäfte mit dem Bäcker
Firmenanleihen sind im Trend/ Immer mehr kleine und mittelständische Unternehmen holen sich Geld von ihren Kunden
09. Mär. 2012 –
Belegte Käse- und Salamibaguettes, Schokocroissants und Apfelkuchen: Allerlei leckere Backwaren locken die Kunden in die 350 Filialen der Wiener Feinbäckerei in Berlin, Thüringen und im Rhein-Main-Gebiet. Das Quarkbällchen gibt es für 40 Cent, die Streuselschnecke kostet 1,30 Euro. Und für 1.000 Euro gibt es die Jubiläumsanleihe – mit jährlich sieben Prozent Festzins. Auf Hochglanzprospekten bewirbt der Mittelständler aus Mühlheim bei Frankfurt das Wertpapiergeschäft.
Ein Bäcker, der seine Kundschaft zur Vermögensanlage animiert. Merkwürdig klingt das schon. Doch ganz so ungewöhnlich ist das nicht. Immer mehr kleine und mittelständische Unternehmen setzen auf Anleihen, auch Corporate Bonds genannt. Vorbei an Kreditinstituten decken sie so ihren Finanzbedarf – und bieten ihren Anlegern vergleichsweise hohe Zinsen. „Für den Mittelstand ist es angesichts der Wirtschafts- und Finanzkrise schwieriger geworden, an Kredite heranzukommen“, sagt Andreas von Brevern, Sprecher der Deutschen Börse. „In Unternehmensanleihen sehen sie eine Alternative, ihren Finanzbedarf zu decken.“
Die Finanzlage hat sich inzwischen verbessert, bleibt aber insgesamt angespannt. Immer weniger kleine und mittelständische Unternehmen beklagen, dass ihre Hausbank zurückhaltend bei der Vergabe von Darlehen handelt. 2010 antworteten 65 Prozent der deutschen und österreichischen Firmen auf die Frage, ob ihre Hausbank restriktiv sei, mit „ja“ oder „eher ja“. Das brachte eine Umfrage der Unternehmensberatung GCI ans Licht. 2011 waren es nur noch 46 Prozent.
Zwölf Millionen Euro wollen Alexander und Georg Heberer, die Chefs der Wiener Feinbäckerei, mit ihrer Jubiläumsanleihe bis zum Sommer zusammentragen. Die Sieben- Millionen-Marke ist inzwischen geknackt. Damit sei man gut im Plan, so ein Firmensprecher. Die Kreditklemme, sei jedoch nicht der Grund, warum das Unternehmen auf Anleihen setzt. Man habe die Kredite kürzlich sogar bis 2013 verlängert. „Anleihen sollen ein Teil unserer Finanzarchitektur werden, weil sie eine kurzfristige Bereitstellung von Kapital ermöglichen“, so der Sprecher, „ zum Beispiel bei möglichen Filialübernahmen.“
Der Großteil der kleinen und mittelständischen Betriebe – rund 90 Prozent – finanziert sich laut GCI-Studie über Banken. Doch immer mehr Unternehmen werden in Zukunft den Weg zum Darlehen vorbei an Kreditinstituten beschreiten. Knapp zehn Prozent planen den Einsatz von Corporate Bonds. Etwas mehr als zehn Prozent nutzen das Instrument bereits.
Das Segment der Corporate Bonds ist noch relativ jung. Auch die Börse ist jüngst darauf aufmerksam geworden. „Seit etwas mehr als einem Jahr bieten wir kleinen und mittleren Unternehmen an, ihre Anleihen an der Frankfurter Wertpapierbörse zu platzieren“, sagt Deutsche Börse-Sprecher von Brevern. Dafür habe man den Entry Standard für Aktien, den es seit 2005 gibt, auch für Anleihen geöffnet. Die Hürden für Unternehmen seien verhältnismäßig niedrig. „Um im Entry Standard eine Anleihe begeben zu können, muss das Unternehmen selbst beispielsweise nicht an der Börse gelistet sein und es muss weniger Auflagen erfüllen“, so von Brevern. „Formale Voraussetzungen wie Unternehmensgröße, Branche oder Mindestanleihevolumen gibt es nicht.“
Inzwischen haben elf Mittelständler ihre Bonds in die Hände der Frankfurter Wertpapierhändler gegeben. Weitere werden mit Sicherheit hinzukommen. „Das Interesse am Markt ist da“, sagt von Brevern.
Beim Anleihenkauf nichts überstürzen
Zinserträge von sieben Prozent im Jahr sind bei Unternehmensanleihen keine Seltenheit. Selbst mit 14 Prozent Rendite wirbt mancher Anbieter. Die Ertragsversprechen klingen verlockend, gibt es beispielsweise auf’s Festgeld gerade einmal drei oder weniger Prozent Zinsen. Doch aufgepasst: Mit den so genannten Corporate Bonds gehen Käufer erhebliche Risiken ein.
Im Falle einer Firmenpleite droht Investoren im schlimmsten Fall der totale Kapitalverlust. Wer sein Vermögen mit den Schuldverschreibungen vermehren möchte, sollte das Unternehmen und den Markt kennen und sich vorab ausführlich erkundigen. Informationen finden sich in den Wertpapierprospekten. Zudem beraten die Kredit- oder Wertpapierinstitute. Eine unabhängige Finanzberatung bieten viele Verbraucherzentralen.