Zoten, Bilder und Berührungen

Am Arbeitsplatz ist sexuelle Belästigung weit verbreitet. Bundesregierung will sensibilisieren und informieren.

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Von Wolfgang Mulke

03. Mär. 2015 –

Jeder zweite Arbeitnehmer hat an seinem Arbeitsplatz bereits Szenen sexueller Belästigung erlebt. Mal fällt eine vergleichsweise harmlose zweideutige Bemerkung oder es wird ein eindeutiger Witz erzählt. In wenigen Fällen nötigt der Kollege oder Vorgesetzte einen Mitarbeiter dazu, Pornobilder zu betrachten. Mitunter steht der Chef während einer Dienstreise spärlichst bekleidet vor der Zimmertür. Auch unerwünschte Berührungen kennen viele Männer und Frauen.

 

Ein Drittel der Frauen und jeder vierte Mann musste sich bereits unliebsamer Körperkontakte erwehren. Diese Zahlen gehen aus einer Umfrage der Antidiskriminierungsstelle der Bundesregierung hervor. „Das ist noch immer ein Tabubereich“, sagt Klaus Wowereit. Der frühere Berliner Bürgermeister soll gemeinsam mit der Wissenschaftlerin Jutta Allmendiger eine Kommission leiten, die das Problem genauer durchleuchten soll.

 

Doch es gibt eine erstaunliche Diskrepanz zwischen der Erfahrung mit sexuellen Belästigungen und dem eigenen Empfinden dafür. Die Hälfte der Arbeitnehmer beiderlei Geschlechts hat entsprechende Situationen schon erlebt. Aber nur jede siebente Frau und jeder zwölfte Mann würde diese Szenen von sich aus als Belästigung einstufen. „Das eigene Verständnis unterscheidet sich maßgeblich vom Verständnis des Gesetzgebers“, erläutert der Autor der Studie, Frank Faulbaum von der Uni Duisburg. Eine schlüssige Erklärung dafür hat der Forscher nicht parat.

 

Der Unterschied zwischen den Geschlechtern ist bei denen, die Belästigungen ertragen müssen, gar nicht so groß. Männer berichten eher von zweideutigen Kommentaren oder unerwünschten Mails und SMS. Frauen müssen eher körperliche Annäherung oder unangemessene Fragen über sich ergehen lassen. Nur bei den Tätern ergibt die Umfrage ein eindeutiges Bild. Es sind die Männer, die hier hauptsächlich Grenzen überschreiten. Sie gehören im Betrieb entweder der gleichen Hierarchiestufe an oder sind Vorgesetzte. Am häufigsten werden die Beschäftigten im Büro oder bei Veranstaltungen wie dem Betriebsfest angemacht. Aber auch in der Kantine oder im Fahrstuhl kommt es häufig zu unangenehmen Begegnungen.

 

Oft bleiben die Betroffenen mit ihrer Pein allein. „Viele Menschen wissen gar nicht, an wen sie sich wenden sollen“, beklagt die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle, Christine Lüders. Über ihre Rechte wissen nur wenige Arbeitnehmer Bescheid. Nicht einmal jeder fünfte Befragte weiß, dass der Arbeitgeber gesetzlich verpflichtet ist, Maßnahmen gegen sexuelle Belästigung zu treffen. Nur die Hälfte kennt das Recht zur Information des Chefs über unangemessene Verhaltensweisen oder auch die Klage vor Gericht auf Schmerzensgeld.

 

Die Abhängigkeitsverhältnisse halten viele Betroffene von einer Beschwerde ab. Als einen ersten Schritt fordert Allmendinger nun eine Verlängerung der Frist, in der man vor Gericht ziehen kann. Die geltende Zweimonatsregelung sei ein zu kurzer Zeitraum, glaubt die Forscherin. Sie müsse als erster Schritt verlängert werden.

 

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