Zu süß, zu fett, zu ungesund
Foodwatch-Studie: Die meisten Kinderlebensmittel sind zu süß und zu fett. Mit Werbung wollen die Hersteller die Kleinen auf ihre Produkte programmieren
13. Mär. 2012 –
Die Lebensmittelindustrie macht Kinder süchtig nach Zucker und Fett. Diesen Vorwurf erhebt die Verbraucherorganisation Foodwatch gegen die Ernährungswirtschaft. „Mit dem industriellen Angebot an Kinderlebensmitteln ist eine ausgewogene Ernährung praktisch unmöglich“, sagte Anne Markwardt, Leiterin der Foodwatch-Kampagne „abgespeist.de“, bei der Vorstellung des Reports „Kinder kaufen“ am Dienstag in Berlin.
Über 1.500 Kinderlebensmittel – wie Maoam, Pombär oder Capri Sonne – hat Foodwatch für den Bericht einem Marktcheck unterzogen. Ausgewählt haben die Tester Produkte, die sich direkt an Mädchen und Jungen richten, also auf denen beispielsweise Comicfiguren prangen oder in denen Spielzeuge stecken. Das Ergebnis: Fast drei Viertel der Produkte sind süße und fette Snacks. Sie gehören in die „rote“ Kategorie der Ernährungspyramide des aid-Infodienstes, der vom Bundesernähringsministerium gefördert wird, und sollten nur sparsam verzehrt werden.
„Die Lebensmittelindustrie dreht die Kinderernährung komplett auf den Kopf“, so Markwardt. Ihre Produktpalette im Kinder-Segment entspreche genau dem Gegenteil der Tipps von Ernährungsfachleuten. Hundert Prozent der Frühstücksflocken-Produkte von Nestlé und Kellogg’s lägen beispielsweise im roten Bereich der aid-Ernährungspyramide.
Die Vorwürfe sind für die Hersteller nichts Neues. Foodwatch, so Kellogg’s-Sprecher Markus Dreißigacker, schüre mit der Kampagne die Ängste und eine Zucker-Hysterie in der Bevölkerung. Ernährungswissenschaftlich sei dies nicht zu begründen. „Der Zuckergehalt ist als einziges Kriterium zur Beurteilung eines Lebensmittels oder gar einer Ernährungsweise unzureichend“, sagt er. Zwar enthielten Cerealien ebenso Zucker, aber außerdem viele andere wichtige Nährstoffe. Zudem könne der Verbraucher auch Produkte wählen, die gar keinen zugesetzten Zucker enthalten.
Die Werbekampagnen der Hersteller sind Foodwatch ebenso ein Dorn im Auge. „Die Lebensmittelindustrie greift zu ausgeklügelten Werbestrategien, um ihre Produkte an Kinder zu bringen“, meint Markwardt. Die Hersteller wollten die Kleinen so früh wie möglich auf ungesundes Junkfood programmieren. Dafür gebe es einen logischen Grund: Mit Obst und Gemüse lasse sich nur wenig Profit machen, schon mehr mit Junkfood oder Softdrinks, die billige Zutaten, wie Stärke, Zucker oder Aromen enthielten.
Die Verbraucherorganisation fordert die Ernährungsindustrie nun auf, Verantwortung zu übernehmen, und ausgewogene Kinderlebensmittel zu produzieren. Ginge es nach Foodwatch, dürfte außerdem künftig keine bunte Werbung mehr auf Süßigkeiten prangen und Comicfiguren die Etiketten von Bonbons, Schokoladentafeln oder Puddings zieren. Spielzeuge würden Kinder dann auch nicht mehr in Schokoeiern oder Süßkramschachteln finden. Von der Bundesregierung fordert die Organisation schärfere Gesetze.