Zu viel Gülle am falschen Platz
Trotz einiger Fortschritte verursache die Landwirtschaft immer noch massive ökologische Schäden, sagt das Umweltbundesamt
12. Okt. 2015 –
Die deutsche Landwirtschaft schädigt die Umwelt noch immer über Gebühr. Nach wie vor nehme die Artenvielfalt bei Tieren und Pflanzen auf landwirtschaftlichen Flächen ab, sagte am Montag Maria Krautzberger, die Präsidentin des Umweltbundesamtes (UBA). Gleichzeitig würden Bauern zu viel stickstoffhaltige Gülle aus der Tierproduktion auf die Äcker und Felder kippen.
Am Montag zog das UBA eine langfristige ökologische Bilanz der deutschen Landwirtschaft. Die neue Studie vergleicht den gegenwärtigen Zustand mit einer Situationsbeschreibung, die der Sachverständigenrat für Umweltfragen 1985 vorgenommen hatte. Ist die Produktion von Lebensmitteln in Ställen, auf Feldern und Äckern in den vergangenen 30 Jahren umweltfreundlicher geworden?, lautete die Frage. Einige Fortschritte seien zu verzeichnen, so der Befund des UBA. Beispielsweise verringerte sich die Belastung des Grundwassers mit Pflanzenschutzmitteln. Insgesamt aber gebe es „nicht unbedingt Grund zum Feiern“, erklärte Krautzberger.
Den Artenverlust bezeichnete die UBA-Chefin als das „immer noch wichtigste Problem“. Diesen Trend habe die Bundesregierung eigentlich schon bis 2010 stoppen wollen. Deutschland macht bei der weiterhin negativen Entwicklung allerdings keine Ausnahme. Zahlen des europäischen Statistikamtes für die EU plus Norwegen und die Schweiz belegen, dass beispielsweise die Zahl der Feldvogel-Arten und -Individuen zwischen 1980 und 2010 auf die Hälfte gesunken ist.
Ein Grund dafür ist die zunehmend intensive Agrarproduktion. Riesige Flächen werden mit immer größeren Maschienen bearbeitet. Für Hecken, Gräben und Wäldchen, in denen gefährdete Tiere und Pflanzen leben, ist kein Platz. Landwirte müssten deshalb verpflichtet werden, die natürlichen Biotope zu pflegen, dafür aber auch finanziell mittels höherer Lebensmittelpreise oder staatlicher Zahlungen entschädigt werden, empfahl Landschaftsökologe Wolfgang Haber.
Beim Eintrag von Stickstoff und Nitrat verzeichnete das Umweltbundesamt einerseits eine Besserung: „1985 überschritten rund 90 Prozent der Flächen die kritischen Belastungsgrenzen. Aktuell sind es immer noch 50 Prozent.“ Damit sei das Problem nach wie vor gravierend – und nehme teilweise sogar zu. Denn Hühner-, Schweine- und Rinderfabriken mit teilweise mehreren zehntausend Tieren würden viel mehr Gülle produzieren als schadlos in der Umgebung auf die Felder gekippt werden könne, sagte Agrarökonom Alois Heißenhuber. Zuviel Stickstoff schädigt die Umwelt und treibt beispielsweise die Kosten für die Aufbereitung von Trinkwasser in die Höhe.
Heißenhuber sprach sich für gesetzliche Regelungen aus, um die Gülle dort zu entsorgen, wo die Stickstoffwerte im Boden niedrig lägen. Das Bundeslandwirtschaftsministerium übe nicht genug Druck auf die Landwirte aus, kritisierte der Sachverständigenrat für Umwelt. Eine Sprecherin des Ministeriums sagte dagegen, gegenwärtig novelliere man die Düngeverordnung, um die Vorgaben der EU-Nitrat-Richtlinie einzuhalten.