• Oxfam-Geschäftsführerin Byanyima beim WEF 2016 |Foto: Koch
    Oxfam-Geschäftsführerin Byanyima beim WEF 2016 |Foto: Koch

Zugang zu den Mächtigen

Was das Weltwirtschaftsforum von Davos bringt

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Von Hannes Koch

24. Jan. 2016 –

Die Frau aus Uganda fällt hier auf. Winnie Byanyima, 57 Jahre alt, studierte Luftfahrttechnikerin, ist farbenfroh gekleidet. Sie trägt einen leuchtend blauen Blazer. Das Kopftuch funkelt in blau, grau, gelb.

 

Personen wie sie gibt es beim Weltwirtschaftsforum in Davos nur wenige. Auf den beigen Teppichen des Kongresszentrums herrscht ein Gewühl von dunklen Anzügen. Es dominieren die Männer, Manager aus den USA und Europa. Die Asiaten holen auf. Aber Afrika ist eindeutig unterrepräsentiert.

 

Und Leute, die sich als Fürsprecher der Unterprivilegierten verstehen, die den Reichen und Unternehmen etwas wegnehmen wollen, um es den Armen zu geben, sind erst recht in der Minderheit. Byanyima ist Geschäftsführerin der Bürgerrechts- und Entwicklungsorganisation Oxfam.

 

Was tut eine Frau wie Byanyima hier beim alljährlichen Gipfel der Wirtschaftselite in Davos? Was bringt diese Veranstaltung für ihr Anliegen?

 

Die Blicke auf die Smartphones gerichtet hetzen hunderte Menschen durcheinander. Sie sind auf dem Weg zum nächsten Workshop mit Facebook-Chefin Sheryl Sandberg, haben einen Termin mit einem Financier, von dem sie Geld erhoffen, oder wollen sich vom Microsoft-Vorstand die künstliche Intelligenz erklären lassen. Viele der Veranstaltungen sind voll, vor den Türen stehen Schlangen, das Angebot ist groß, die Nachfrage noch größer.

 

Bei Byanyima jedoch ist der Besuch überschaubar. Von 30 Plätzen ist die Hälfte besetzt. Vor der dunkelblauen Wand mit dem WEF-Logo spricht die Aktivistin mit tiefer, weicher Stimme. Hart ist, was sie sagt. Die 62 reichsten Personen der Erde würden mittlerweile soviel Vermögen besitzen wie die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung – über 1.500 Milliarden Euro. Den Unternehmen, die das Weltwirtschaftsforum (WEF) tragen, wirft sie vor, sich planmäßig in Steueroasen anzusiedeln. „Die Unternehmen verstecken ihr Geld vor der Steuer.“ Damit würden sie ihren Heimatstaaten Milliarden vorenthalten und die riesige Spanne zwischen Arm und Reich weiter vergrößern. „Stattdessen sollten sie allen Beschäftigten Löhne zahlen, die für ein menschenwürdiges Leben ausreichen.“

 

Eine Anklage. Warum lädt Byanyima dazu nicht in London ein, in New York oder Berlin?

 

Weil sie hier in Davos direkten Zugang hat zu den größten Konzerne der Welt, zu einigen der reichsten Menschen der Erde und zu vielen mächtigen Politiker. Es gibt wenige Plätze auf der Welt, wo Byanyima ihre politischen Ansprechpartner, die häufig gleichzeitig ihre Gegner sind, in dieser Anzahl gleichzeitig an einem Ort treffen kann. Denn das WEF wird getragen und finanziert von den einflussreichsten Unternehmen. Für ihre Vorstände ist Davos ein fester Eintrag im Kalender.

 

Und diese Leute müssen ihr hier zuhören. Sie müssen mit ihr reden. Sie müssen sie ernst nehmen. Die Vorstandsvorsitzenden können zwar vergessen, was Byanyima ihnen erzählt hat und so weitermachen wie bisher. Aber im nächsten Jahr oder im übernächsten wird die Frau aus Uganda wieder da sein und sie fragen: So what did you do – Was haben Sie seit vergangenem Jahr verändert? „Davos ist eine Plattform, um die globale politische Agenda zu formen“, sagt Byanyima.

 

Dafür, dass die Frau aus Uganda weiter anprangern, fordern, drängen und nerven kann, sorgt Klaus Schwab, 77jährige Chef des Weltwirtschaftsforums. Viel ist schon gelacht worden über den offiziellen Anspruch des Elitegipfels, „den Zustand der Welt zu verbessern“. Aber Schwab ist es auf seine Art ernst damit. Deshalb hat er Byanyima beim WEF 2015 zur Mitarbeit als Co-Vorsitzende eingeladen – und ihr so ermöglicht aus einer angemessenen Position heraus das Gespräch mit Facebook, Microsoft, Amazon oder der Schweizer Bank UBS zu suchen.

 

Und, hat sich in der Welt etwas geändert durch Byanyimas WEF-Engagement?

 

Sie sagt: „Das Thema der Ungleichheit steht nun auf der Agenda.“ Im vergangenen Jahr haben die Vereinten Nationen einen Gipfel zur Entwicklungsfinanzierung veranstaltet, damit einige Milliarden mehr in armen Ländern ankommen. Die Industrieländerorganisation OECD hat begonnen, Druck auf Steueroasen wie die Cayman Inseln zu machen. Die Steuervermeidung durch Konzerne soll erschwert werden. Und Dutzende Staaten haben ein Abkommen geschlossen, um sich gegenseitig Informationen über Auslandskonten ihrer Staatsbürger zu übermitteln. Selbst die Schweiz will mittun. Soweit ist es auch deshalb gekommen, weil Leute Byanyima beim WEF und anderswo über Jahre nicht lockergelassen haben.

 

Dass Davos etwas bringen kann, wissen auch ganz andere Leute, aus ganz anderem Grund. Zum Beispiel der Präsident des Iran, Hassan Ruhani.

 

Januar 2014. Ruhani, langer schwarzer Mantel, weißer Turban, grauer Vollbart, ist zu Gast im großen Saal des Davoser Kongresszentrums. Er ist freundlich, macht Scherze. WEF-Chef Klaus Schwab heißt ihn willkommen, plaziert ihn neben sich im weißen Sessel auf der Bühne und stellt ihm Fragen, die nicht allzu schwer zu beantworten sind.

 

Für Ruhani ist es eine Ehre, für sein Land eine Art Rückkehr aus dem Exil, in das es wegen seiner vermeintlichen Anstrengungen, Atombomben zu bauen, geschickt worden war. Anfang 2014 sind die Verhandlungen über eine Lösung des Konflikts auf gutem Wege. Und so bekommt der Präsident die Gelegenheit, sich als friedlicher Nachbar zu empfehlen. Ruhani nutzt die Plattform Davos, um seine Botschaft zu setzen. Die, die er erreichen möchte, sind ja alle da. Das WEF kann helfen.

 

Ähnliche Szene dieses Jahr. Mittlerweile ist das Atomabkommen mit dem Iran unter Dach und Fach. Die meisten Sanktionen wurden bereits aufgehoben. WEF-Manager Philipp Rösler bittet nun Irans Außenminister Javad Zarif auf die Bühne. Der Chefdiplomat, grauer Anzug, weißes Stehkragenhemd, kein Turban, und sein Kollege kommen schnell zur Sache. Das Wirtschaftswachstum bei Ihnen zu Hause werde dieses Jahr acht Prozent betragen. Da wäre es doch schön, wenn die westlichen Konzerne ein paar Milliarden Dollar investierten. Davos – ein guter Anfang für die neue Wirtschaftspartnerschaft.

 

Ein guter Anfang – das findet Winnie Byanyima ebenfalls. Mehr aber auch nicht. Jedes Jahr würden die Entwicklungsländer rund 100 Milliarden Euro durch Steuerhinterziehung und Steuervermeidung verlieren. „Wir brauchen einen neuen globalen Ansatz“, sagt Byanyima. Schließlich geht die Schere zwischen Arm und Reich auf der Welt immer weiter auf. Die weltweite Ungerechtigkeit, die Oxfam beklagt, nimmt zu und nicht ab.

 

Lässt sich daran wirklich etwas ändern, indem sie und einige andere mit den Mächtigen reden?

 

Byanyima jedenfalls will die Kooperation mit dem WEF fortsetzen, „solange wir Ergebnisse sehen“. In jedem Fall muss Oxfam noch einige Veranstaltungen mehr in Davos abhalten, um dieses dicke Brett zu bohren.

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