Zum Warten verpflichtet: Flüchtlinge auf dem Arbeitsmarkt

Ein Bäckermeister will mehr als nur Geld oder Kleider spenden, sondern Flüchtlingen einen Job geben. Doch die Bürokratie macht seinem Vorhaben eine Strich durch die Rechnung.

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02. Okt. 2015 –

Bäckermeister Andreas Rösler wartet. Seit rund neun Monaten. Drei Ausbildungsverträge liegen unterschrieben auf seinem Tisch, doch in seiner Backstube ist noch kein Lehrling angekommen. „Wir haben die Plätze frei, aber keine Azubis“, sagt Rösler. Seine Kandidaten sind keine gewöhnlichen Schulabgänger. Sie sind geflohen vor dem Bürgerkrieg in Syrien, gestrandet in Brandenburg. Wie Rösler warten die drei darauf, dass ihr neues Leben in Deutschland mit einem Job beginnt.

 

Bäcker Röslers Geschichte ist eine, die etliche Unternehmer erzählen können. Sie wollen den Flüchtlingen Arbeit geben. Doch was sie hindert sind die Tücken des deutschen und europäischen Asylsystems. Der Bäcker und seine Helfer haben unzählige Fahrten zur Ausländerbehörde und zum Jobcenter hinter sich. Dazu kommen Telefonate mit der Bäcker-Innung, mit der Berufsschule, mit Sprachschulen. „Die Flüchtlinge brauchen einen Vollzeit-Manager. Die Behörden sind vollkommen überlastet“, sagt einer, der die Flüchtlinge an den Bäcker vermittelt hat.


Zwei von Röslers Syrern haben sich in einem anderen EU-Staat erstmals registrieren lassen. Die sogenannte Dublin-Regel besagt, dass sie nun in dieses Land zurück und dort einen Asylantrag stellen müssen. Eigentlich sind die Vorgaben ausgesetzt. Dennoch wurden beide aufgefordert das Land zu verlassen. Passiert ist bisher nichts.


Ein dritter Syrer wartet noch auf die Karte, die ihm den Aufenthaltstitel bescheinigt. Formal ist mit den Behörden alles geregelt. Doch die Karte, die das nachweist, fehlt. Dieses Mal hakt es wohl an der Bundesdruckerei. Doch die Karte ist der Türöffner zu Arbeit und Wohnung. Wer sie hat, kann damit zum Jobcenter gehen und sich für einen Sprach- und Integrationskurs anmelden. Wenn er einen Platz bekommt. Denn laut Bundesagentur für Arbeit fehlen Tausende Plätze und Lehrer, die speziell für die Arbeit mit Flüchtlingen geschult sind. Doch ohne Sprachkurs gibt es kaum Jobzusagen oder Ausbildungsplätze. Auch die Berufsschulen nehmen nur diejenigen auf, die mittlere Deutschkenntnisse nachweisen können. Hinzu kommt: Ohne Karte und damit Zusagen von den Behörden gibt es keinen Zuschlag für eine Wohnung. Wenn unklar ist, wer die Kosten übernimmt, wartet kaum ein Vermieter, sondern vergibt die Wohnung an andere Interessenten.


Die Syrer, die bei Rösler unterkommen sollten, leben in Brandenburg. Arbeitsort für die Ausbildung ist Berlin. Durch die frühen Arbeitszeiten wird Pendeln unmöglich. Mit dem Umzug sind aber nicht mehr die Brandenburger Behörden für die Syrer zuständig, sondern die Berliner Ämter. Eine Übergabe sollte eigentlich kein Problem sein, doch auch hier müssen Formalitäten erledigt werden. „Wir kommen nicht weiter“, sagt Bäcker Rösler. „Uns würde helfen, wenn es über die Länder hinweg eine Stelle gibt, die die Genehmigungen beschleunigt und sich um die Kosten kümmert.“ Um ein Quartier und die Auflagen der Berufsschule würde sich Rösler sogar selbst kümmern.


Das Problem beginnt bereits viel früher: Wie kommen Unternehmer und arbeitsfähige Flüchtlinge zusammen? Anlaufstellen direkt in den Erstaufnahmeeinrichtungen gibt es bisher nur im Testlauf. Der Kontakt läuft vor allem über Kirchengemeinden, über Hilfsorganisationen, die sich um die Geflüchteten kümmern. Bundesweit gibt es bisher nur wenige Projekte, die zwischen den Flüchtlingen und der Wirtschaft vermitteln.


„Davon müsste es viel mehr geben“, sagt Johannes Kamm, Geschäftsführer der Berliner Bäcker-Innung. Selbst wer im Irak oder in Syrien als Bäcker oder Konditor gearbeitet hat, wird nicht ohne weiteres in einer deutschen Backstube unterkommen. Die Leute müssten sich schließlich erst mit dem Beruf und den Gepflogenheiten in Deutschland vertraut machen. Die Bereitschaft bei den Betrieben zu helfen sei da, aber die Firmenchefs bräuchten Unterstützung aus der Politik. Vor allem, was die Rechtslage angeht. „Wir brauchen die Gewissheit, dass die Menschen, die Ausbildung abschließen und dann noch ein bis zwei Jahre im Betrieb bleiben können“, sagt Kamm. Der Einsatz einer Fachkraft müsse planbar sein. Bisher wird in vielen Fällen jedes Jahr erneut geprüft, ob die Aufenthaltsgenehmigung verlängert werden kann.


Weniger Sorgen macht er sich um die Sprachkenntnisse der Flüchtlinge. „Man kann auch mit den Augen lernen, wie man Brot macht“, sagt Kamm. Für die Berufsschulen wird das nicht reichen. Auch hier drängt Kamm auf Sonderregelungen. Der Einsatz der Bäcker-Innung ist nicht ganz uneigennützig. In den Bäckereien, wie auch in vielen anderen Handwerksberufen, werden Nachwuchs und Fachleute händeringend gesucht.


Was Kamm und Rösler umtreibt, weiß auch Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD). Er hat Gewerkschaften und Arbeitgebern versprochen, für mehr Rechtssicherheit zu sorgen. Ob die Union den Vorschlag mitträgt, Flüchtlingen während der Ausbildung und zwei Jahre nach Abschluss einen gesicherten Aufenthalt zuzusagen, bleibt fraglich. Auch Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) stößt mit ihren Plänen auf Widerstand. Sie will die Vorrangprüfung zumindest aussetzen, um es den Arbeitgebern leichter zu machen, Flüchtlinge anzustellen. Die Jobcenter müssen bestätigen, dass kein Deutscher oder ein EU-Bürger für die Stelle in Frage kommen. Erst dann darf der Flüchtling die Stelle besetzen. Die Prüfung kann mehrere Monate dauern. Eine lange Zeit, die Arbeitgeber nur ungern abwarten wollen.


Bei Bäcker Rösler in Spandau stehen noch immer keine Flüchtlinge in der Backstube. „Deutschland hat eine große Backkultur. Es wäre schön, wenn wir das weitergeben könnten“, sagt er. Rösler hofft auf das nächste Ausbildungsjahr und auf Hilfe von Behörden und Politik. Noch steht sein Angebot.



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