10.000 Mark für eine bloße Idee

25 Jahre Mauerfall – Was haben wir gelernt? Teil 5: Eine reine Ostförderung ist nicht mehr zeitgemäß.

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Von Wolfgang Mulke

25. Sep. 2014 –

Einmal in seiner Amtszeit als Ministerpräsident in Sachsen-Anhalt fühlte sich Reinhard Höppner besonders überfordert. Ein Tüftler wollte Fördergeld und präsentierte eine abenteuerliche Idee. In Bäumen aufgehängte Alu-Blätter sollten Strom produzieren. „Ich kann solche Ideen nicht beurteilen“, gab der SPD-Politiker unumwunden zu. Geld gab es dafür damals nicht vom Land. Dabei waren findige Gründer in den ersten Jahren nach dem Mauerfall gesucht und wurden großzügig gefördert. Sie sollten die Basis für einen Wirtschaftsaufschwung schaffen. Auf die Qualität der Ideen wurde oft wenig geachtet. Hauptsache, es entsteht überhaupt etwas. So sponsorte Brandenburg zeitweilig jeden Existenzgründer mit 5.000 Euro.

 

Zwei Billion Euro, eine Zahl mit zwölf Nullen, kostete der Aufbau Ost bisher. Allerdings wurde nur ein kleiner Teil so unsinnig mit der Gießkanne über das Land gestreut wie in der Anfangszeit. Die wirklich großen Brocken sind die Übernahme der sozialen Systeme, die Beseitigung von Altlasten, zum Beispiel im Uranbergbau, Infrastrukturprojekte wie die schnelle Bahnverbindung von Berlin nach München oder die Mitgift an Konzerne, die die Reste der alten DDR-Chemieindustrie retten sollten.

 

Die Ergebnisse dieses einzigartigen Transfers von West nach Ost sind sehr unterschiedlich ausgefallen, bringen aber einige Erkenntnisse für das gesamte Land. So sind die Strategien gescheitert, die eine flächendeckende Wirtschaftsansiedlung zum Ziel hatten. In Brandenburg sollten so rund um Berlin in mittleren Städten wie Cottbus und Eberswalde Wirtschaftszentren entstehen. Doch der Boom blieb aus. Wenn schon Industrien in diese Region kommen, dann nach Berlin und dessen Umland.

 

Dagegen erwies sich die Förderung von prosperierenden Zentren als erfolgreich. Dresden ist das beste Beispiel dafür, das an seine Traditionen in der Mikroelektronik anknüpfen und neue Fabriken aus der Sparte anlocken konnte. Mit viel Geld zogen Sachsen-Anhalt und Brandenburg die Solarindustrie an. Die Billigkonkurrenz China machte die Hoffnung auf eine neue industrielle Basis zunichte. Licht und Schatten des riesigen Förderaufwands liegen dicht beieinander.

 

Eine der Schattenseiten haben viele Regionen im Westen kennengelernt. Dazu zählen viele Kommunen im ehemaligen Zonenrandgebiet. Während der Teilung erhielten die durch die Randlage benachteiligten Gebiete eine besondere Förderung, damit die Lebensverhältnisse halbwegs mit denen anderswo im Westen mithalten konnten. West-Berliner bekamen zum Beispiel pauschal acht Prozent ihres Lohnen obendrauf, damit sie in der eingesperrten Halbstadt blieben. Diese Förderung wurde praktisch über Nacht gekappt.

 

Besonders der Berliner Westen bekam das Ende der Subventionsära schnell zu spüren. Die Industrie war schneller weg als ein Wahlversprechen nach der Stimmauszählung. Die Annahme, dass die vom Rand plötzlich ins Zentrum des Landes gerückten Regionen von alleine auf die Beine kommen, bestätigte sich nicht dauerhaft. So hat die Bundeszentrale für politische Bildung die Entwicklung am Zonenrand untersucht. „Die durch den Wegfall des Eisernen Vorhangs verbesserten Lage- und Standortbedingungen haben sich nur im Vereinigungsboom sowie einige Jahre danach ausgewirkt“, fanden die Experten heraus. Seit der Jahrtausendwende hinkt die Entwicklung in dem Streifen von der Ostsee bis nach Bayern von wenigen Ausnahmen abgesehen dem Durchschnitt hinterher.

 

Die massive Wirtschaftsförderung im Osten hat diesen Prozess verschärft, denn plötzlich erwuchsen den Kommunen direkt nebenan Konkurrenten um die Ansiedlung von Unternehmen oder um Touristen. Im Westharz oder an der Ostseeküste ist mit bloßem Auge sichtbar, auf welcher Seite die Gewinner und Verlierer stehen.

 

Noch absurder ist ein Teil der Finanzierung des Solidarpakts II, in dem die Ostförderung bis 2019 geregelt ist. Denn die Kommunen im Westen müssen die Subventionen indirekt mitfinanzieren, auch wenn die Stadtkasse schon leer ist. Das bringt vor allem die Bürgermeister im Ruhrgebiet auf, die selbst einen finanziellen und wirtschaftlichen Notstand verwalten. Ein Blick in der Armutsatlas des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) zeigt, das Städte wie Duisburg oder Dortmund zu den Armenhäusern Deutschlands gehören, während es den Bürgern in Dresden oder Leipzig ganz gut geht.

 

Auch deshalb wird der dritte Solidarpakt, der bald ausgehandelt werden muss, Fehler der Vergangenheit abstellen. Eine Verteilung der knappen Mittel mit der Gießkanne ist nicht finanzierbar und auch nicht erfolgversprechend. Es darf keine auf den Osten beschränkte Förderung mehr geben, sondern eine aller strukturschwachen Regionen.

 

Kasten

Die Serie: 25 Jahre Mauerfall

Im November werden 25 Jahre seit dem Fall der Mauer vergangen sein. Im Osten ist kräftig saniert worden. Was kann die Republik aus dem Umbau lernen - für das Leben in der Stadt, für die medizinische Versorgung, für die Ansiedlung von Industrie, für die Landwirtschaft oder für den Solidarpakt? Und: Wie geht es weiter? Die Serie in 6 Teilen – heute: Warum eine reine Ostförderung nicht mehr zeitgemäß ist.

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