• Textilproduktion in Bangladesch | Foto: Koch
    Textilproduktion in Bangladesch | Foto: Koch

14 Cent pro T-Shirt lösen das Problem

Die Bekleidungspreise in Deutschland müssten kaum steigen

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Von Hannes Koch

01. Jul. 2016 –

Der in Europa winzige Betrag macht in Indien den entscheidenden Unterschied. 14 Cent pro T-Shirt reichen, um den Lohn der dortigen Textilarbeiter von rund 100 Euro im Monat auf etwa 160 Euro anzuheben. Statt des kärglichen, staatlich festgesetzten Mindestlohns könnten die Beschäftigten der Fabrik im südindischen Tirupur existenzsichernde Gehälter erhalten, die auch die Kosten der Familien beispielsweise für das Schulgeld der Kinder und Medikamente abdecken.

 

Das haben die Textilfirma Continental Clothing, die Unternehmensberatung BSD und das Fair Fashion Network (Netzwerk für faire Mode) in einem Pilotprojekt ermittelt, bei dem sie zunächst 150.000 T-Shirts fertigen ließen. Sie wollen damit demonstrieren, dass sozialverträgliche Bekleidungsproduktion möglich ist, ohne in Europa die Preise wesentlich anzuheben. Denn 14 Cent Aufpreis fallen selbst bei Billig-T-Shirts für fünf Euro kaum ins Gewicht. „Existenzsichernde Löhne sind auch im Massenmarkt umsetzbar“, sagt Mark Starmanns, ein Gründer des Netzwerkes.

 

Augenblicklich ist das allerdings nur eine theoretische Berechnung. Denn derzeit wird erst ein kleiner Teil der Produktion in der Fabrik mit dem 14-Cent-Aufschlag vergütet. Weil das zusätzliche Geld auf das gesamte Personal umgelegt wird, erhalten die Beschäftigten nun einen höheren, aber noch keinen existenzsichernden Lohn. Dieser wäre mittels 14 Cent pro T-Shirt möglich, wenn die gesamt Jahresproduktion so bezahlt würde.


Firmen, die so etwas ausprobieren, bilden allerdings nur eine kleine Minderheit. „Das ist noch immer eine Nische“, so Starmanns. Jedoch eine, die wächst. Die Sonderveranstaltung zu ethischer Bekleidung der Messe Fashion Week in Berlin fand vor fünf Jahren erstmals mit 36 Ausstellern statt. Beim diesjährigen Durchgang, der bis zum 1. Juli dauert, sind über 100 Firmen dabei.


Diese Kollektionen zeichnen sich durch eine höhere ökologische und soziale Qualität aus. So hat die Firma Deepmellow ein Verfahren entwickelt, um Leder mit Extrakten aus der Rhababerwurzel zu gerben, statt mit umweltbedenklichem Chrom.


Solche Geschäftsideen zeigen, was möglich ist. Sie sind Vorbilder für die traditionelle Modeindustrie, üben aber auch Druck auf die marktbeherrschenden Handelsketten aus. Denn die fairen Firmen jagen den alten Anbietern Kunden ab, wenngleich nur in beschränktem Umfang. Und die Platzhirsche reagieren. Das bemerkt Deepmellow-Geschäftsführerin Anne-Christin Bansleben zum Beispiel daran, dass sich mehr und mehr große Unternehmen nach dem Rhabarber-gegerbten Leder erkundigen.


Sie müssen sich um die sozialen und ökologischen Bedingungen in der globalen Textilproduktion kümmern - das wissen die Bekleidungskonzerne seit Jahren. Praktische Fortschritte machen sie dennoch nur langsam. Vor fast zwei Jahren gründete CSU-Entwicklungsminister Gerd Müller das Bündnis für nachhaltige Textilien, an dem sich über 180 Firmen und Institutionen beteiligen. Bis Ende 2016 nun sollen alle Mitgliedsfirmen eigene Fahrpläne erarbeiten, wie sie die Bedingungen in ihren Zulieferketten verbessern. Die Debatte dreht sich darum, ob und wie die Pläne veröffentlicht werden. „Nur dann kann die Öffentlichkeit künftig beurteilen, ob die Unternehmen Fortschritte machen“, sagt Maik Pflaum von der Kampagne für Saubere Kleidung, die ebenfalls im Bündnis mitarbeitet. Einen Schritt vorwärts hat das Bündnis geschafft, indem es den schrittweisen Verzicht auf gefährliche Chemikalien in der Kleidung beschloss.

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