2013 mehr Geld im Portemonnaie

Wirtschaftsweise bemängeln trotz Wachstum den Elan der Regierung

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Von Wolfgang Mulke

07. Nov. 2012 –

Die Arbeitnehmer in Deutschland können wohl auch im kommenden Jahr mit kräftigen Lohnerhöhungen rechnen. Im Durchschnitt werden die Bruttolöhne und -gehälter 2013 um 3,2 Prozent steigen. Die verfügbaren Einkommen, bei denen Sozialabgaben und Steuern schon abgezogen worden sind, steigen um 2,6 Prozent. Da die Inflationsrate nur bei zwei Prozent liegen wird, können die Beschäftigten mit einem echten Plus in der Tasche rechnen. Das geht aus der Prognose des Sachverständigenrats der Bundesregierung hervor, die am Mittwoch der Bundeskanzlerin übergeben wurde.


An deren Politik ließen die fünf so genannten Wirtschaftsweisen allerdings kein gutes Haar, obwohl die Wirtschaftsleistung auch im kommenden Jahr weiter wachsen wird. „Für die deutsche Wirtschaftspolitik gilt es, eine ganze Reihe von Problemen zu lösen“, stellte der Chef des Gutachterrates, Wolfgang Franz, fest. Die jüngsten Beschlüsse der Koalition zum Betreuungsgeld, der Aufstockung von Minirenten und der gestrichenen Praxisgebühr lehnen die Experten ab. „Strukturelle Mehrausgaben gehen in die falsche Richtung“, kritisiert Franz. Der Staat muss nach Ansicht des Rates mehr sparen und den Haushalt in Ordnung bringen.


Doch auch in anderen Bereichen vermissen die Wirtschaftsweisen den Elan. So fehle ein Gesamtkonzept für die Energiewende. Die Einspeisevergütung fördert nach Ansicht der Forscher einen „zügellosen Ausbau“ der Kapazitäten an Wind- und Sonnenstrom mit entsprechend hohen Kosten für die Verbraucher. Die Gutachter plädieren daher für einen Ausbau nach vorher festgelegten Quoten und mit einem flexibleren Modell der Förderung.


Ebenso unzufrieden sind die Wissenschaftler mit den Sozialreformen. Das Gesundheitssystem soll danach weiter in Richtung einer einkommensunabhängigen Finanzierung entwickelt werden. Dazu wollen die Wissenschaftler mehr über Zusatzbeiträge einspielen. Außerdem hält der Rat eine „spürbare Beitragssenkung „ für möglich, weil die Krankenkassen derzeit gewaltige Überschüsse verwalten. Höhere Leistungen für Rentner, etwa durch einen Zuschuss für Geringverdiener oder die Rücknahme der Rente mit 67 lehnen die Gutachter ab.


Die Lage auf dem Arbeitsmarkt schätzen die Berater weiterhin gut ein. In diesem Jahr werden fast 42 Millionen Deutsche erwerbstätig sein und die Arbeitslosenquote mit 6,8 Prozent auf den niedrigsten Stand seit der Wiedervereinigung sinken. Im kommenden Jahr erwarten sie nur einen leichten Anstieg der Arbeitslosenzahl. Mindestlöhne lehnen die Sachverständigen weiterhin ab. Niedrige Löhne hält der Rat für ein geeignetes Modell, Geringqualifizierten den Berufseinstieg zu ermöglichen. Allerdings üben die Experten an der gegenwärtigen Praxis auch Kritik. Denn die Aufstiegschancen aus einem schlecht bezahlten Job seien gering. Die Bundesregierung müsse dies durch verstärkte Fort- und Weiterbildung ändern.


Zweiter Schwerpunkt des diesjährigen Gutachtens ist die Europolitik. Die geplante Fiskalunion der Euroländer mit echten Durchgriffsrechten für die EU-Kommission lehnt der Rat ab. Sie glauben nicht, dass die EU tatsächlich im Ernstfall ausreichend in die nationalen Haushalte eingreifen kann. Stattdessen plädieren die Weisen für eine Weiterentwicklung der Maastricht-Verträge für einen stabilen Euro. Bei dem Modell „Maastricht 2.0“ soll die Verantwortung für die jeweilige Finanzpolitik in den Händen der einzelnen Mitgliedsländer bleiben. Dazu kommen soll unter anderem eine Regelung für den Fall der Pleite eines Mitgliedslandes. Langfristig sprechen sich die Gutachter auch für eine europäische Bankenunion aus.








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