750 000 000 000 Euro

So wehrt sich Europa gegen den Zerfall

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Von Wolfgang Mulke

10. Mai. 2010 –

Die wichtigsten Fragen und Antworten...

 

 

Wie funktioniert die Euro-Rettung?

 

Der beschlossene Schutzschirm besteht aus mehreren Elementen. Zunächst verfügt die Europäische Kommission über einen Kredittopf, der über den normalen EU-Haushalt gespeist wird. Bis zu 60 Milliarden Euro darf die Kommission gefährdeten Staaten leihen, sofern diese ohne eigenes Verschulden in eine Krise geraten. Griechenland bekommt aus dieser Quelle kein Geld, weil die Notlage selbst verschuldet ist. Die Euroländer gründen zudem eine Gesellschaft, die darüber hinaus bis zu 440 Milliarden Euro zur Stabilisierung der von Spekulanten aufs Korn genommenen Staaten als Darlehen ausleihen kann. Weitere 250 Milliarden Euro stellt der Internationale Währungsfonds (IWF) bereit. Schließlich darf die Europäische Zentralbank (EZB) Staatsanleihen der betroffenen Länder ankaufen. Hinter dieser bisher unvorstellbar umfangreichen Finanzhilfe steht die Hoffnung, dass Spekulanten ihren Kampf gegen den Euro abblasen. Die Regierung spricht sogar von einem „systemischen Großangriff“ gegen die Gemeinschaftswährung.

 

Wer bringt das viele Geld auf?

 

Ob und wie viel die Euroländer aufbringen müssen, ist völlig offen. Zunächst einmal bieten die Staaten nur Garantien. Die neue Gesellschaft kann einzelnen Euro-Mitgliedern Kapital leihen. Dafür verschuldet sie sich auf den Kapitalmärkten. Für die Rückzahlung bürgen die Staaten nicht gemeinsam, sondern jedes Land mit einem festen Anteil. So will die Bundesregierung sicherstellen, dass Deutschland nicht für andere Länder einspringen muss. Staaten, die Stützungskredite erhalten, müssen kräftig sparen. Auch deshalb ist der IWF mit dabei. Die Organisation hat viel Erfahrung mit der Durchsetzung einer harten Sanierung öffentlicher Finanzen.

 

Welche Risiken bestehen für die deutschen Steuerzahler?

 

Ein exakter Wert lässt sich derzeit nicht ermitteln. Für bis zu 123 Milliarden Euro müsste die Bundesregierung bei der neuen Gesellschaft haften. Bei den Milliardenkrediten des IWF wäre die Bundesrepublik wohl mit 37 Milliarden Euro dabei. Auch die von ganz Europa finanzierten Darlehen würden Deutschland mit mehreren Milliarden Euro belasten. Voraussetzung ist aber immer, dass ausgereichte Kredite nicht mehr zurückbezahlt werden würden. Das ist unwahrscheinlich.

 

Gibt es weitere Risiken?

 

Das ist der Fall, hängt aber von der Ausgestaltung der Regeln ab, mit den klammen Euro-Ländern geholfen wird. Nach jetzigem Stand der Dinge büßt Deutschland einen Teil der Eigenständigkeit ein. Denn ein Veto bei der Vergabe von Krediten, für die Deutschland garantieren muss, ist bisher nicht vorgesehen. Eine Mehrheit der Euroländer könnte das beschließen. Auch ist die Summe, die Deutschland im schlimmsten denkbaren Fall aufbringen müsste, gar nicht absehbar. Da die notleidenden Staaten sich an ihrer eigenen Rettung schlecht beteiligen können, müssen die stärkeren Länder die Last unter sich aufteilen. Je nach Zahl der Krisenfälle steigt damit auch der deutsche Anteil an den Garantien.

 

Steigt die Inflationsgefahr?

 

Nach Einschätzung vieler Experten ist mittelfristig ein Teuerungsschub zu erwarten. „Die Inflation kommt schleichend über die Versorgungspreise“, erläutert der Finanzexperte Ansgar Belke von der Uni Duisburg. Der Wissenschaftler rechnet in wenigen Jahren mit einem Preiszuwachs von vier Prozent jährlich.

 

Ist die EZB noch unabhängig?

 

Die Bundesregierung versichert, dass die Zentralbank weiterhin unabhängig bleibt. Fachleute wie Belke sehen dagegen in den Beschlüssen von Brüssel eine „Dammbruch“. Denn die EZB soll nun auf Druck der EU-Staaten auch minderwertige Anleihen kaufen, um den Euro zu retten. Damit schwächt sie sich nachhaltig und wird zum Instrument der Regierungen. Ungewöhnlich ist das nicht. Auch die amerikanische Notenbank kaufte in großem Stile Ramschpapiere, um die maroden US-Banken aus dem Sumpf zu ziehen. Die Meinungen darüber gehen weit auseinander. Eine Seite befürchtet eine Abkehr von der Stabilitätspolitik. Andere halten den Einsatz der Notenbank zur Krisenabwehr für angemessen.

 

Wirken die Beschlüsse der Euroländer bereits?

 

Der Montag begann mit einem Kursfeuerwerk an den Börsen. Zugleich gingen die durch Spekulanten in die Höhe getriebenen Zuschläge für Staatsanleihen aus Griechenland, Portugal oder Spanien deutlich zurück und der Euro gewann wieder stark an Wert. Das könnte ein Indiz dafür sein, das die Kapitalmärkte der Eurozone wieder Vertrauen und die Zockerei nachlässt. Die Erfahrung lehrt jedoch, dass dies heute oder morgen schon anders aussehen kann. Denn die Ursache der Krise, die zu hohe Verschuldung einiger Staaten, besteht ja noch immer. Aber die Euroländer haben klar gemacht, dass sie den Finanzhaien nun mit einem nahezu grenzenlosen Einsatz Paroli bieten. Wenn die Euroländer schnell wieder solide Bilanzen vorlegen, geht die Rechnung vermutlich auf.

 

 

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