Abschied von der Arbeitslosigkeit

Unabhängig von kurzfristigen Schwankungen könnte die Zahl der Erwerbslosen langfristig stark abnehmen.

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Von Hannes Koch

29. Jul. 2010 –

Den Deutschen geht die Arbeit nicht aus. Im Gegenteil: Es gibt so viel davon, dass die Erwerbslosigkeit in den kommenden Jahrzehnten stark abnehmen wird. Das prognostiziert nicht nur das Forschungsinstitut der Bundesagentur für Arbeit, sondern auch Klaus Zimmermann, der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW).


Schon die aktuellen Zahlen zeigen, dass Deutschland die Finanz- und Wirtschaftskrise erstaunlich gut überstanden hat. Im Juli stieg die Zahl der Erwerbslosen zwar um 39.000 Personen leicht an. 3,192 Millionen Arbeitslose waren registriert. Die Quote nahm von 7,5 Prozent im Juni auf 7,6 Prozent zu.


Dieser Stand der Arbeitslosigkeit ist aber wesentlich niedriger als in vielen vergleichbaren Staaten. In den USA suchten im Juni 9,5 Prozent der Erwerbspersonen eine Stelle. Die Durchschnitt der Europäischen Union lag im Mai bei zehn Prozent.


Langfristig wird sich der positive Trend in Deutschland deutlich verstärken. Dies belegt eine aktuelle Untersuchung des Instituts für Arbeitsmarktforschung (IAB) der Bundesagentur. „Die gesamte Unterbeschäftigung könnte bis 2025 auf unter 1,5 Millionen Personen sinken“, schreiben Johann Fuchs und Gerd Zika vom IAB. Die Arbeitslosigkeit würde damit im Vergleich zu heute mehr als halbiert und auf Werte um die zwei Prozent zurückgehen. Wie Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) hält auch DIW-Präsident Klaus Zimmermann für möglich, dass ein Zustand erreicht wird, den man als „Vollbeschäftigung“ bezeichnen kann.


Die wichtigste Erklärung für diese Entwicklung bietet die Demografie. Die Menschen in Deutschland zeugen weniger Kinder, dementsprechend wachsen weniger junge Arbeitskräfte nach. Gleichzeitig gehen die geburtenstarken Jahrgänge in Rente und Pension. Das Ergebnis: Die Zahl der Erwerbspersonen, die überhaupt arbeiten können, sinkt – von heute 44,7 Millionen Menschen auf 41,1 Personen in 2025.


Gleichzeitig aber wird die Wirtschaft vermutlich weiter um durchschnittlich 1,7 Prozent pro Jahr wachsen. Die Unternehmen und Verwaltungen brauchen auch in den kommenden Jahrzehnten mindestens so viele Beschäftigte wie heute. Das bedeutet: Die Notwendigkeit, Arbeitslose zu beschäftigten, nimmt zu – sonst blieben die freien Stellen unbesetzt.


Aber wohlgemerkt: Die Beschreibung dieses Trend beruht auf bestimmten Annahmen wie etwa dem Wachstum. Fiele dieses wegen einer neuen Finanzkrise oder anderer externer Schocks eine Zeit aus, würde auch die langfristige Entwicklung einen anderen Verlauf nehmen.


Besonders in Ostdeutschland könnte die Arbeitslosigkeit bis 2025 auf wenige hunderttausend Menschen sinken, prognostizieren Fuchs und Zika. Das hat aber auch eine dunkle Seite: Der Abbau der Unterbeschäftigung in den östlichen Ländern ist eine Folge des Geburtenausfalls nach der Wende und der Abwanderung nach Westen.


Die Industrie wird den zunehmenden relativen Arbeitskräftemangel durch Rationalisierungen und Stelleneinsparung kompensieren. Andere Branchen wie die unternehmensnahen Dienstleistungen (zum Beispiel Software und Beratung) und die sozialen Berufe verzeichnen dagegen einen deutlichen Zuwachs.


Info-Kasten

7,6 Prozent Arbeitslose

Die Arbeitslosigkeit im Juli 2010 lag bei 7,6 Prozent oder 3,192 Millionen Menschen in Deutschland. Wegen der traditionellen Sommerpause stiegen die Zahlen leicht an. Gegenüber dem Krisenjahr 2009 hat sich die Lage stark gebessert – damals waren 271.000 Personen mehr arbeitslos. Die Quote in Westdeutschland im Juli 2010 betrug 6,6 Prozent, in Ostdeutschland dagegen 11,6 Prozent.


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